Geburt Helma Berta Blühweis: 8. Februar 1926 in Graz |
17. Mai 1937: Mutter Hermine Blühweis verstirbt in Graz |
9./10. November 1938: Vater Alois Blühweis wird in der Pogromnacht schwer misshandelt |
3. Dezember 1938: „Arisierung“ des Hauses Griesgasse 22 durch Georg Margutsch |
Jänner 1939: Flucht von Helma Blühweis mit Vater Alois nach Jugoslawien |
9. Februar 1942: Verhaftung von Alois Blühweis |
Jahr 1942/1943: Ermordung von Alois Blühweis im KZ Jasenovac |
April 1942 bis Ende Juli 1943: Flucht nach Italien zu Schwester Gertrude Endrizzi |
Ende Juli 1943 bis 4. Juni 1944: Flucht nach Rom und Zuflucht bei FluchthelferInnen |
17. Juli 1947: Ankunft Helma Blühweis in New York |
14. August 1948: Schwester Gertrude verstirbt in Bozen (Italien) nach langer Krankheit |
17. März 1951: Trauung von Helma Blühweis und Viktor Goldmark in New York, USA |
16. September 2008: Helma Bliss-Goldmark, geborene Blühweis, erhält die österreichische Staatsbürgerschaft zurück |
Helma Blühweis wurde im Jahr 1926 in Graz geboren und war die Tochter von Alois und Hermine Blühweis. Sie besuchte die St. Andrae Volksschule und ging danach auf das Mädchenlyzeum in der Sackstraße. Ihre ältere Schwester Gertrude, knapp zwanzig Jahre älter, heiratete im April 1934 den Italiener Leone Endrizzi und lebte danach in Bressanone (Brixen), Südtirol. Nur drei Jahre später verstarb Mutter Hermine am 17. Mai 1937. Sie wurde am Grazer Zentralfriedhof bestattet. Ab diesem Zeitpunkt lebte Helma mit ihrem Vater allein in der Griesgasse 22.
Mit dem „Anschluss“ im März 1938 begann eine unfassbare Leidensgeschichte für die beiden. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung erschien der Tapezierer Georg Margutsch, wohnhaft in der Griesgasse 33, in der Wohnung und nahm die Räumlichkeiten an sich. Vater und Tochter wurden ins Dienstbotenzimmer verwiesen, das nicht nur beengend war, sondern auch keine Fenster besaß. Hier lebten die 12jährige Helma und Vater Alois bis zum Jänner 1939. Bereits im Frühjahr war sie der Schule verwiesen worden.
In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde Alois Blühweis brutal misshandelt und schwer verletzt. Nachdem man ihn aus der Wohnung gezerrt hatte, wurde er geschlagen, seine Beine gebrochen und Zähne ausgeschlagen. Mehrere Tage erhielt er keine adäquate medizinische Betreuung und litt später an den Langzeitfolgen.
Bis zum Jänner 1939 harrten Vater und Tochter im fensterlosen Zimmer aus, bevor sie nach Jugoslawien über die Grenze flüchten konnten.
Von Anfang Jänner bis Mitte des Monats dauerte ihre Flucht, Alois Blühweis noch schwer gezeichnet von den Übergriffen und auf Krücken unterwegs. In Zagreb angekommen, fanden sie Unterbringung bei Adele Horvath, einer Schwester des Vaters. Als Flüchtlinge wurden sie polizeilich gemeldet. Nachdem Helma nicht kroatisch sprechen konnte, war es ihr nicht möglich die Schule zu besuchen, sodass ihr eine Cousine Sprachunterricht gab. Gemeinsam mit ihrem Vater lebte sie schließlich bis zum April 1941, dem Einmarsch der Wehrmacht in Jugoslawien, bei den Verwandten.
Umgehend mit dem Überfall von Hitler-Deutschland auf Jugoslawien begann die Verfolgung und Stigmatisierung der jüdischen Bevölkerung. Die jüdische Familie musste ab diesem Zeitpunkt den Gelben Stern („Judenstern“) auf der Vorder- und Rückseite der Kleider tragen, durfte keine Parkanlagen betreten oder die Straßenbahn benutzen. Nahrungsmittel durften wiederum nur zu bestimmten Zeiten gekauft werden, meist dann, wenn sie bereits ausverkauft waren. Bereits wenige Tage nach dem deutschen Einmarsch erschienen Uniformierte und führten Hausdurchsuchungen durch, wobei sie Wertgegenstände raubten. Ein Vorgang, der sich in den nächsten sechs Monaten öfter wiederholen sollte. Der Familie wurde gleichzeitig mit Verhaftung und Deportation gedroht.
Am 9. Februar 1942 vormittags wurde Alois Blühweis verhaftet und nach ZBOR, einem Messegebäude in Zagreb, gebracht. Tochter Helma, gerade 16jährig, durfte ihren Vater dort besuchen und brachte ihm frische Wäsche und etwas zu Essen. Wenige Tage später wurde Alois Blühweis ins KZ Jasenovac deportiert, wo er Ende 1942 oder im Jahr 1943 ermordet wurde.
Helma konnte sich mithilfe nichtjüdischer Bekannter vor den Verfolgern verstecken. Im April 1942 erhielt sie gefälschte Ausreisepapiere und es gelang ihr damit nach Italien zu flüchten. Über Triest gelangte sie zu ihrer älteren Schwester Gertrude Endrizzi nach Bressanone (Brixen), die hier mit ihrer Familie lebte. Hier konnte sie von Ende April 1942 bis Ende Juli 1943 untertauchen.
Zwei Tage nach der Verhaftung Mussolinis wurde Helma von einem italienischen Carabinieri gewarnt, dass ihr erneut eine Verhaftung durch deutsche Einheiten und die Deportation nach Polen drohe. Mithilfe einer Italienerin gelangte sie an die adriatische Küste, wo sie eine Woche am Dachboden versteckt wurde. Sie erhielt Geld und machte sich auf in den Süden, wo bereits die Alliierten gelandet waren. Dank eines katholischen Pfarrers konnte sie versteckt in einem Heuwagen zur nächsten kleineren Eisenbahnstation gelangen, wo sie nach einer gefährlichen Reise mittels Bahn schließlich Anfang September 1943 in Rom ankam.
Die italienische Hauptstadt stand zu dieser Zeit unter deutscher Besatzung, sodass sich Helma in unterschiedlichen Häusern und Klöstern verstecken musste. Da sie nur nachts die Unterbringungen aufsuchen durfte, hielt sie sich tagsüber in Parkanlagen, im Vatikan, Museen, Kirchen oder im Botanischen Garten auf. In der Nacht fahndete die deutsche Besatzungsmacht nach Widerstandsgruppen, Juden und Jüdinnen. Helma versuchte zu dieser Zeit über das Rote Kreuz und den Vatikan Informationen über ihren Vater zu erhalten, erfuhr jedoch erst nach Kriegsende von seinem Tod.
Als die Alliierten am 4. Juni 1944 Rom befreiten, hatte ihre Flucht seit der Abreise aus Bressanone nochmal ganze elf Monate angedauert. Drei Jahre später verließ sie Italien und emigrierte in die USA, wo sie am 17. Juli 1947 in New York völlig mittellos ankam.
Am 14. August 1948 verstarb ihre Schwester Gertrude Endrizzi in Bozen, Italien, nach einer langen Erkrankung. Sie hinterließ vier Kinder.
In den USA begann Helma Blüh als Putzfrau zu arbeiten und besuchte abends die Schule, um Stenographieren und die englische Sprache zu erlenen. Hier lernte sie Viktor Goldmark kennen, den sie am 17. März 1951 in New York ehelichte.
Am 16. September 2008 erhielt Helma Bliss-Goldmark, geborene Blühweis, ihre österreichische Staatsbürgerschaft zurück. Sie ist heute neunzig Jahre alt und lebt in den USA.