Harry Peter Werdisheim

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Max und Bertha Werdisheim lebten bis 1938 in Leoben, der zweitgrößten Stadt der Steiermark. Die beiden heirateten 1915 im Leopoldstädter Tempel, der damals größten Synagoge in Wien, die im Zuge der Novemberpogrome zerstört wurde. Max Werdisheim wurde am 14. Jänner 1886 in Triesch (heute Tschechien) geboren und hatte zwölf Geschwister, darunter seine Zwillingsschwester Helena. Von ihnen hat sein Bruder Dagobert als einziger den Holocaust überlebt. Bertha Werdisheim war die Tochter der Kaufmannsfamilie Scheck in Leoben und wurde am 13. Februar 1899 in Leoben geboren. Ihre Mutter Klara Scheck (geb. Posamentier) wurde am 8. Mai 1872 in Judenburg geboren. Nach der Hochzeit übernahmen Max und Bertha das Geschäft in der Kärntnerstraße 20 von Berthas Eltern und führten es von da an unter dem Namen Volkswarenhaus „Zur größten Billigkeit“. Das Kaufhaus der Familie (Konfektions- und Wirkwarenhandlung) wurde kurz nach dem „Anschluss“ als „jüdisch“ gekennzeichnet, Waren von Uniformierten geraubt und schließlich „liquidiert“.

Max und Bertha Werdisheim bekamen fünf Kinder. Gertrude wurde am 29. Mai 1916 geboren. Gemeinsam mit ihrem Verlobten, dem Grazer Juden Berthold Fleissig, schaffte sie es kurz vor den Novemberpogromen, am 1. November 1938 von Wien nach Palästina zu fliehen, wo sie am 10. Februar 1939 in Tel Aviv heirateten.

Die zweite Tochter von Max und Bertha, Edith, wurde am 24. September 1917 geboren und starb nur zwei Monate nach ihrer Geburt. Ihre Tochter Alice Sonja kam am 6. November 1933 zur Welt, fünf Jahre später, kurz nach dem „Anschluss“, folgten die Zwillinge Harry Peter und Walter Hans.

Flucht nach Jugoslawien

Max Werdisheim floh Ende Oktober 1938 mit Hilfe von Schleppern nach Jugoslawien, wo er die Grenze illegal überquerte. Sein Bruder Erwin Werdisheim, bis dahin wohnhaft in Graz, war bereits seit dem Sommer in Jugoslawien. Sein Bruder Julius Werdisheim folgte ihnen am 23. Dezember 1938. Die Brüder Rudolf und Richard versuchten ebenfalls, sich in Jugoslawien in Sicherheit zu bringen und folgten ihnen zu einem späteren Zeitpunkt. Der Bruder Dagobert Werdisheim, geboren 1899 in Fünfkirchen, Ungarn, floh im Februar 1939 nach Frankreich und war der einzige der Geschwister, der den Holocaust überlebt hat.

Bertha Werdisheim blieb indes mit ihrer Mutter Klara Scheck und den Kindern Alice, Harry und Walter in Leoben. Doch im März 1939 wurden sie von den Nationalsozialisten gezwungen, ihr Haus zu verlassen und nach Wien gebracht, wo sie von nun an, wie viele andere jüdische Familien, in einer „Ghetto“-Wohnung lebten. Sie teilten eine Wohnung mit Jakob Samuel und Sarah Charlotte Werdisheim, den Eltern von Max. Jakob Samuel starb im April 1939. Im September desselben Jahres und mit Hilfe von Schleppern konnte Bertha Werdisheim mit ihrer Mutter und den drei Kindern illegal die Grenze nach Jugoslawien überqueren und in Zagreb wieder mit ihrem Mann Max zusammen sein. Die Zwillinge wurden auf der Flucht betäubt, damit sie nicht weinen.

Deportationen und Ermordung

Im November 1939 wurde Max Werdisheim zusammen mit seinem Bruder Julius an die Gestapo ausgeliefert. Zuvor hatte er sich bemüht, über das Palästinabüro in Zagreb für die Familie Zertifikate nach Palästina zu bekommen – doch leider erfolglos. Die beiden Brüder blieben 17 Monate lang in Wien in Haft. Julius Werdisheim ging danach zurück nach Kroatien, sein Bruder Max blieb in Wien, von wo er am 6. Februar 1942 gemeinsam mit seiner Zwillingsschwester Helene Porges nach Riga deportiert wurde. Helena Porges wurde kurz nach ihrer Ankunft in Riga erschossen. Max Werdisheim starb an einem nicht näher bekannten Tag im September 1943 im KZ Riga-Kaiserwald in Littland an an den Folgen der Zwangsarbeit und den unmenschlichen Bedingungen im Konzentrationslager.

1941 marschierten die Nationalsozialisten in Kroatien ein und Bertha Werdisheim zog mit ihrer Mutter, ihrer Schwiegermutter und den drei kleinen Kindern von Zagreb aufs Land. Danach waren sie und Lilli, eine Schwester von Max Werdisheim, in verschiedenen Lagern interniert. Der Gesundheitszustand der Tochter Alice verschlechterte sich zusehend, und so suchte ihre Tante Lilli eine Familie außerhalb des Lagers, bei der sie das Kind unterbringen konnte. In Mostar fand sie Lidija und Franjo Griner, die bereit waren, das kranke Kind aufzunehmen. Die beiden wurden 1992 als Gerechte unter den Völkern ausgezeichnet. Das letzte Mal, dass die Familie Werdisheim von jemandem gesehen wurde, war zu Beginn des Jahres 1944 auf der kroatischen Insel Rab. Von dort wurden sie deportiert und ermordet. Klara Scheck starb 1942 in Čapljina, Bosnien und Herzegowina. Alice Werdisheim überlebte den Holocaust bei der Familie Griner und konnte 1948 in Palästina, wo ihre ältere Schwester Gertrude lebte, einwandern. Alice Werdisheim kehrte einige Jahre vor ihrem Tod mit ihrer Enkelin zurück nach Leoben, um ihr Elternhaus wiederzusehen. Dieses war wenige Wochen davor abgerissen worden.

Bilder:

Werdisheim 1 (c) Aya Zarfati
Werdisheim 1: Alice Werdisheim mit ihrer Großmutter vor dem Geschäft der Familie Scheck in Leoben

Werdisheim 2 (c) Aya Zarfati
Werdisheim 2: Die Zwillinge Harry und Walter Werdisheim

Werdisheim 3 (c) Aya Zarfati
Werdisheim 3: Eines der letzten Bilder von Max Werdisheim, entstanden in Wien

 

Quellen:

Lamprecht Gerald, Zur Geschichte jüdischer Leobner im 19. Und 20. Jahrhundert. In: Anzenberger Werner, Ehetrieber Christian, Halbrainer Heimo (Hg.), Die Eisenstraße 1938-1945, NS-Terror – Widerstand – Neues Erinnern. Graz 2013, S. 80.

Informationen von Aya Zarfati (Enkelin von Alice Werdisheim)

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