HELENE SERFECZ
GEB. WRIESSNEGGER
JG. 1886
IM WIDERSTAND
ROTE GEWERKSCHAFT
VERHAFTET AUG. 1942
‚VORBEREITUNG HOCHVERRAT‘
HINGERICHTET 13.9.1943
GRAZ
Helene Wrießnegger wurde am 16. April 1886 in Klagenfurt geboren und wuchs als uneheliches Kind bei ihrem Vater auf. Im April 1906 heiratete sie den Arbeiter Josef Serfecz und lebte von diesem Zeitpunkt an in Graz. Sie gehörte seit 1919 der sozialdemokratischen Bewegung und deren Frauenkomitee an. Ihr Wohnort in der steirischen Landeshauptstadt war die Weißeneggergasse 11. Nach den Februarkämpfen 1934 und dem Verbot der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei wirkte sie in der kommunistischen Roten Hilfe der KPÖ mit, weshalb schon 1936 – im austrofaschistischen Ständestaat – erstmals Ermittlungen gegen sie geführt wurden.
Als der ehemalige Gewerkschafts- und Arbeiterkammersekretär Lorenz Poketz und Johann Stelzer 1941 die Rote Gewerkschaft aufbauten, kontaktierten sie auch die ihnen aus der Ersten Republik bekannte Marxistin und baten sie, in ihrer Organisation mitzuwirken. Gemeinsam mit anderen Mitstreitern aus dem ehemals sozialdemokratischen Milieu bzw. kommunistischen Umfeld versuchten sie, politische Häftlinge und deren Angehörige mit Geld zu unterstützen. Die gewerkschaftlichen Widerstandskämpfer schafften es außerdem, in einer größeren Anzahl von Grazer Betrieben, so z. B. in der Grazer Waggonfabrik, sogenannten Zellen zu bilden. So kam eine beachtliche Mitgliederzahl aus verschiedenen Berufsgruppen zusammen, der Gruppe gehörten aber auch nicht-berufstätige Personen an. Regelmäßig wurden Zeitungen und Flugblätter produziert.
Helene Serfecz sagte den Mitstreitern zu und engagierte sich in verschiedenen Bereichen. So sammelte sie Geldbeiträge für die Familien von Verfolgten und nutzte ihre Kontakte, um die Gruppe zu vergrößern und Mitgliedsbeiträge einzusammeln. Auch ihr Sohn Josef Serfecz, der im Ernährungsamt der Stadt Graz angestellt- und bis zum Verbot der Sozialdemokratischen Partei ebenfalls in dieser aktiv war, unterstützte die Rote Gewerkschaft.
Diese wurde von den Nationalsozialisten als „marxistisch“ eingestuft und aufgrund ihrer vielfältigen Aktivitäten gingen sie dementsprechend hart dagegen vor. Im August 1942 startete eine Verhaftungswelle, bei der in Graz, Kapfenberg, Mürzzuschlag, Judenburg, Bruck an der Mur und Weiz über 250 Personen verhaftet wurden. Wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“, „landesverräterischer Feindbegünstigung“ und „Zersetzung der Wehrkraft“ wurden sie vom Volksgerichtshof bzw. dem SS- und Polizeigericht in Graz angeklagt.
22 führende Funktionäre und Zellenleiter wurden zum Tode verurteilt, 20 davon hingerichtet. Unter ihnen befanden sich zwei Frauen, Helene Serfecz war eine davon. Auch ihr Sohn, Josef Serfecz, befand sich unter den zum Tode verurteilten. Selbst Mitglieder, die der Gewerkschaft nur kleine Geldbeträge gespendet hatten, wurden zu langen Kerkerstrafen verurteilt. Mindestens neun erlebten das Kriegsende nicht, da sie in der Haft verstorben waren.
Helene Serfecz war zum Verhängnis geworden, dass die damals 57-jährige Hausfrau Familien von Inhaftierten geholfen hatte und als Verbindungsperson innerhalb der Widerstands-Szene half, Kontakte zwischen an einer Mitarbeit interessierten Personen und der Roten Gewerkschaft herzustellen. Beim Prozess Ende Juni hieß es daher im Urteilsspruch:
„Bei der Angeklagten Helene Serfecz besteht […] kein Zweifel, dass sie als gehässige und verbissene Marxistin in enger Zusammenarbeit mit der Leitung der ‚Roten Gewerkschaft‘ vorsätzlich das Ihre dazu beitragen wollte, dass der Nationalsozialismus und seine Regierung gestürzt werde.“
Am 13. September 1943 wurde sie im Landesgericht in Graz durch das Fallbeil im neu fertiggestellten Hinrichtungsraum – die bis dato einzige Stätte in Wien kam mit der Vielzahl von Todesurteilen, welche die nationalsozialistische Justiz verhängte, nicht mehr nach – hingerichtet. Als Todesursache im Sterbeschein vermerkte man „justifiziert“. Drei Wochen später ereilte ihrem Sohn das gleiche Schicksal. Unklarheit herrschte über die Leichen der Hingerichteten, die offenbar auf das Anatomische Institut gebracht worden waren. Dessen Leiter ließ die Leichen Anfang des Jahres 1946 in verschlossenen Särgen und ohne die Angehörigen oder die Behörden zu verständigen, am Zentralfriedhof bestatten. Nur durch Zufall wurden sie im August 1946 entdeckt und exhumiert.
Beeindruckend sind die von der Widerstandskämpferin erhaltenen Briefe aus der Haft. Diese Dokumente sind sehr persönliche Zeugnisse, in denen sie sich von ihren Nächsten verabschiedet und diesen Trost und Mut zusprach. Beispielsweise schrieb Helene Serfecz an ihr Enkelkind:
„Sei nicht böse, dass ich im Kerker sterben muss. Ich habe für die Idee gearbeitet und armen Menschen geholfen. Das kostet mir nun den Kopf, aber mein Geist lebt weiter auf der Welt.“
Im Abschiedsbrief an ihren Mann schrieb sie:
„Lieber Mann! In einer Stunde muss ich sterben. Vorkämpfer muss es immer geben, nur, dass ich das Ende dieses Krieges nicht mehr erleben kann, tut mir leid.“
Anton Weber, der ehemalige Pfarrer aus Krieglach, fungierte bei den Hinrichtungen im Landesgericht als Seelsorger und erinnert sich im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit ebenfalls an Helene:
„Die erste Hinrichtung, bei der ich zugegen war, war eine Frau namens Serfecz. Sie war sehr mutig. Sie war wegen kommunistischer Tätigkeit angeklagt und erklärte sich unschuldig. Sie erklärte dort, für ihre Überzeugung in den Tod zu gehen. Sie sang in ihrer Zelle noch Lieder, bis man sie zur Hinrichtung holte.“
Der Name von Helene Serfecz befindet sich auf der Gedenktafel im ehemaligen Hinrichtungsraum des Grazer Landesgerichts und in Eggenberg ist seit 2011 ein ehemals nach einem nationalsozialistischen Dichter benannter Platz nun mit ihrem Namen gewürdigt.
Recherche und Biografie: Mag. Thomas Stoppacher
Quellen:
- Cäsar, Maria / Halbrainer, Heimo (Hrsg.): “Die im Dunkeln sieht man doch“. Frauen im Widerstand – Verfolgung von Frauen in der Steiermark. Graz 2007.
- Czech, Herwig: Von der Richtstätte auf den Seziertisch. Zur anatomischen Verwertung von NS-Opfern in Wien, Innsbruck und Graz. In: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hrsg.), Jahrbuch 2015: Feindbilder. S. 141-190
- Halbrainer, Heimo: „Sei nicht böse, dass ich im Kerker sterben muss.“ Die Opfer der NS-Justiz in Graz 1938 bis 1945. Ein Gedenkbuch. Graz 2014.
- Zentrum für Politische Schönheit (Hg.): An die Nachwelt. Letzte Nachrichten und Zeitzeugnisse von NS-Opfern gegen das Vergessen. Berlin 2019.
- Sterbeschein Helene Serfecz
- http://alltag.mur.at/lexikon/serfecz-helene
- https://www.kpoe-graz.at/helene-serfecz-platz-in-graz.phtml
- https://www.doew.at/cms/download/64olq/4761_S_0013_serfecz_helene.pdf