EDUARD HAFNER
JG. 1850
FLUCHT 1939
JUGOSLAWIEN
Eduard Hafner lebte ab 1877 in Graz an verschiedenen Adressen. Er heiratete Malwina Müller im Jahre 1886 und bekam mit ihr vier Söhne (Hans Hafner, geb. 1887; Fritz Hafner, geb. 15.5.1889; Walter Hafner, geb. 1890; Josef Hafner, geb. 1897). Eduard Hafner wurde nach seinem 30-jährigen Aufenthalt in Graz im Jahre 1907 ein „Heimatschein“ zugesprochen und damit in den Gemeindeverband der Stadtgemeinde Graz aufgenommen. Am 3. 1.1917 starb der jüngste Sohn Josef.[1] Bereits ein Jahr zuvor im Jahr 1916 übersiedelte Hans Hafner mit seiner jungen Frau Johanna (geb. 1893) nach Wien und später nach Budapest. Der als Kaufmann tätige Hans Hafner hatte diese im Jahr 1911 geheiratet.[2] Fritz Hafner besuchte das Akademische Gymnasium in Graz und studierte nach seiner Matura im Jahre 1908 Jus. Hier promovierte er am 6.6.1913 zum Dr. iur. und war zwischen 1920 und 1938 in Graz als erfolgreiches Rechtsanwalt tätig. Seine Kanzlei lag in der Kalchberggasse 6, wohnhaft war er mit seiner im Jahr 1894 geborenen Mira Hafner seit dem 25. Mai 1917 in der Grillparzerstraße 22/III.[3] Dr. Fritz Hafner („Spatzl“, Ehrenbursch) war wie sein Vater Eduard Hafner (Ehrenphilister) aktiv in der Jüdischen Akademischen Verbindung (J.A.V.) Charitas Graz tätig.[4] Auch Alfred und Othmar Weiss waren Mietglieder dieser schlagenden Verbindung.[5]
Eduard Hafner war ab 19.6.1923 in der Neutorgasse 49 gemeldet. Unter dieser Adresse wurde am 2. 4.1927 eine Mehlagentur- und Handelsfirma unter dem Namen „Eduard Hafner“ im Handelsregister eingetragen. Die Firma kaufte Getreide auf und ließ es in verschiedenen Getreidemühlen mahlen. Das Mehl wurde schließlich an Bäckereien und hier vor allem an die Steiermärkischen Brotwerke in Graz-Eggenberg, den mit Abstand größten Abnehmer, weiterverkauft.[6] Am 1.7.1931 trat Walter Hafner, der ebenfalls in der Neutorgasse wohnhaft war, als Gesellschafter in die Firma seines Vaters ein und übernahm ab 1.1.1938 die alleinige Geschäftsführung.[7]
Im Juli 1938 musste Walter Hafner sein Vermögen der NS-Vermögensverkehrsstelle bekanntgeben. Wie in solchen Fällen „üblich“, übernahm ein kommissarischer Verwalter die operative Geschäftsführung und ein Gutachter stellte den Wert des Betriebes fest.
Im Falle von Walter Hafner wurde der Betrieb mangels Vermögens liquidiert und die Firma mit 31.1.1939 aus dem Handelsregister gelöscht.[8] Ein Vermerk in einem Schreiben der Reichspostdirektion besagt, dass sich Eduard Hafner laut Auskunft des Grazer Polizeipräsidenten im August 1939 in Zagreb aufgehalten hat.[9] Hier lebten einige Verwandte der Familie Hafner. Über Dr. Fritz Hafner wurde im Mai 1938 ein Berufsverbot. Er verließ Graz und Österreich und floh nach Australien, wo er am 22.3.1939 eintraf und den Krieg überlebte.[10]
Walter Hafner wurde ebenso wie Othmar und Alfred Weiss nach der Novemberpogromnacht im November 1938 verhaftet und nach Dachau deportiert. In den dortigen Zugangsbuch Nr. 104 wurde er am 12. November 1938 mit der Häftlingsnummer 23485 registriert.[11] Bereits am 7. Dezember 1938 wurde er wieder entlassen und konnte nach Graz zurückkehren, bevor er sich nach Jugoslawien absetzen konnte. Walter Hafner hielt sich bis März 1939 in Kroatien (Abbazia/Opatija) auf und gelangte später auf unbekannten Wegen nach Südfrankreich. Er wurde im Internierungslager Camp de Libourne festgehalten und kurz vor dem Waffenstillstand zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich Ende Juni 1940 freigelassen.[12] Das französische Vichy-Regime übergab in der Regel jüdischen Flüchtlinge an den NS-Staat.
Walter Hafner konnte sich zunächst am 1.11.1940 im US-amerikanischen Konsulat in Marseille ein Visum beschaffen. Er verließ Marseille aber erst am 6. Mai 1941 mit der SS Winnipeg in Richtung Martinque. Dieses Schiff wurde von einem niederländischen Kanonenboot kurz vor seinem Ziel in der Karibik aufgebracht und gezwungen die britische Kolonie Trinidad anzulaufen. Walter Hafner erreichte schließlich am 30.6.1941 mit der SS Uruguay New York.[13]
Von den Familien Weiss und Hafner dürfte nur Gertrude Hafner mit ihrem zweiten Mann Walter Hafner für einige Zeit nach Graz zurückgekehrt sein. Mehrere Einträge im Melderegister der Stadt Graz belegen in den Jahren 1950 und 1955/56 einen längeren Aufenthalt an der Meldeadresse Steyrergasse 99. Eduard Hafner überlebte den Krieg hochbetagt und kehrte nach Graz zurück, wo er am 20.12.1949 in der Mariahilferstraße 22, im hundertsten Lebensjahr verstirbt. Das Gebäude in der Mariahilferstrasse 22 war im Jahr 1944 durch einen Bombentreffer schwer beschädigt worden und wurde erst im Jahr 1958 wieder vollständig aufgebaut.
Recherche und Biografie: Heribert Macher-Kroisenbrunner MA
Quellen:
[1] Meldezettel Stadt Graz, Eduard und Walter Hafner, Magistrat Graz.
[2] Meldezettel Hans Hafner, Magistrat Graz.
[3] Meldezettel Fritz Hafner, Magistrat Graz. Adressbuch der Stadt Graz, 1938.
[4] Harald Seewann, J.A.V. Charitas Graz 1897-1938, S. 143.
[5] Ebda, S. 215.
[6] StLA, VVst-Graz 34344-13-V, Walter Hafner.
[7] StLA, Handelsgericht-Rg-A1-292b-1940, k43 Hafner.
[8] Ebda.
[9] StLA, VVst-Graz 20527-13-V, Eduard Hafner.
[10] Eintrag zu Fritz Hafner, in: Barbara Sauer/Ilse Reiter-Zatloukal, Advokaten 1938. Das Schicksal der in den Jahren 1938 bis 1945 verfolgten österreichischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Manz 2010.
[11] Akt Walter Hafner, KZ-Gedenkstätte Dachau vom 22.6.2021.
[12] Im Lager Camp de Libourne (Kapazität 650 Personen) wurden auch viele jüdische Ausländer festgehalten.
[13] E-Mail Phyllis Weiss, 16.2.2021.