Lebensdaten
Simon [Simche Chaim] Salzmann, Jg. 1882
Elsa Salzmann (geb. Freudmann), Jg. 1887
Harald Salzmann, Jg. 1921
Die jüdische Familie wohnte am Griesplatz 4/III und flüchtete 1939 über Marseille nach Tanger (Marokko).
Harald Salzmann wurde 1921 in Graz geboren. Sein Vater Simon (Simche Chaim) stammte ursprünglich aus Czernowitz, das in der östlichsten Region der Habsburgermonarchie lag. Während des Ersten Weltkriegs übersiedelte er in die steirische Landeshauptstadt, wo er Elsa Freudmann kennenlernte und heiratete. In Graz konnte sich Simon Salzmann als Inhaber eines prosperierenden Malerbetriebs eine Existenz aufbauen, besaß eine Wohnung am Griesplatz und erwarb schließlich eine Villa in Wetzelsdorf.
Sohn Harald besuchte die jüdische Volksschule, später die Pestalozzi-Realschule und die Kepler-Realschule. Wie andere jüdische Schüler_innen war er hier antisemitischen Anfeindungen vonseiten seiner Mitschüler_innen ausgesetzt. Nach seiner Schulzeit im Jahr 1936 ging er bei seinem Vater in die Lehre und absolvierte die Fachliche Fortbildungsschule in Graz-Münzgraben. Auch im Berufsleben spürte er weiterhin die grassierende Judenfeindlichkeit der dreißiger Jahre, sodass bereits zu diesem frühen Zeitpunkt eine Auswanderung nach Palästina Gegenstand von ernsthaften Überlegungen wurde. Welche Folgen der sog. „Anschluss“ im März 1938 für jüdische Familien nach sich zog, veranschaulicht ein in den 1980er Jahren von Harald Salzmann verfasster Erinnerungsbericht:
„Es wird nicht lange nach dem 13. März 1938 gewesen sein, da kamen zwei junge Burschen, nach Sturmläuten, bewaffnet und mit Hakenkreuzarmbinden, wahrscheinlich zwei SA-Leute, zu uns. Unter dem Vorwand, nach kommunistischen Schriften zu suchen, machten sie in unserer Drei-Zimmerwohnung am Griesplatz 4/III eine Hausdurchsuchung. Natürlich gab es nichts Kommunistisches bei uns. Aber meine kleine Schüler-Bibliothek hatten sie bald entdeckt, so beschlagnahmten sie einige jüdische Bücher. Den Wäscheschrank meiner Mama räumten sie völlig aus, warfen alles auf einen großen Haufen und riefen dabei: „Aha, die Jüdin trägt Seidenwäsche!“
Im Herbst 1938 wurde der familiäre Betrieb unter sog. „kommissarische Verwaltung“ gestellt und sämtliche Konten gesperrt. Wie viele andere Grazer Juden und Jüdinnen wurde Vater Simon Salzmann kurz darauf verhaftet. Nach einer mehrwöchigen Inhaftierung im KZ-Dachau und der Beschlagnahmung der Wohnung und anderer Besitztümer begann schließlich die verzweifelte Suche nach Fluchtmöglichkeiten. Während sich die Erledigung der Auswanderungsformalitäten für Chile, wo sich bereits ein Verwandter der Familie niedergelassen hatte, verzögerte, erwirkte die nach Gibraltar emigrierte Halbschwester Haralds, die aus erste Ehe des Vaters stammende Rosa Reisz, die Ausstellung eines fingierten Arbeitsvertrages für Simon Salzmann, wodurch sie Visen für Tanger erhielten und im Sommer 1939 über Wien, Straßburg und Marseille nach Afrika flüchten konnten. Am 10. Juli 1939 erreichten sie schließlich Tanger im Nordwesten Marokkos.
Harald Salzmann kehrte mit seinem Vater Simon 1947 nach Graz zurück. Im Jahr 1957 heiratete Simon Salzmann die 1899 in Graz geborene Margarethe Schwarz, die vor dem Nationalsozialismus nach Großbritannien geflohen war. Seine erste Frau Elsa war 1943 in Tanger verstorben.
Nach der Restitution ihres Besitzes nahmen Vater und Sohn Salzmann ihre Arbeit als Malermeister in Graz wieder auf. Zuletzt arbeitete Harald Salzmann als Bibliothekar der Steiermärkischen Landesregierung und wirkte zudem mehrere Jahre als Kultusrat der Israelitischen Kultusgemeinde Graz. Im Jahr 1990 verstarb Harald Salzmann in Graz.
———–
Quellen: Harald Salzmann: Ich bin in Graz als jüdischer Junge aufgewachsen. Als Jude in Graz und anderswo – Erinnerungen aus den Jahren 1921–1947. In: Historisches Jahrbuch der Stadt Graz Bd. 21/22, Graz 1991, S. 147–168.
Victoria Kumar: In Graz und andernorts. Lebenswege und Erinnerungen vertriebener Jüdinnen und Juden, Graz 2013, S. 139–143.