Schule Grazbachgasse 71
Inschrift:
HIER LERNTE
HANS LEOPOLD WECHSLER
JG. 1920
UNFREIWILLIG VERZOGEN
1938 WIEN
1939 FLUCHT
PALÄSTINA
Biographie:
Heinz Heinrich Wechsler und sein Zwillingsbruder Hans Wechsler, geboren im Jahr 1920 in Graz, wohnten in der Leechgasse 25. Sie gingen in die HAK Grazbachgasse, genauer gesagt in die 3C. Die Brüder wurden am 28. April 1938 von der Schule abgemeldet. Die beiden hatten auch eine Schwester. Sie hieß Edith Wechsler. Die Eltern hießen Ernst und Nora Wechsler. Der Vater gründete die Grazer Metallwaren-Fabrik und hatte 1930 schon fast 100 Angestellte. Die Mutter war Musikerin und Sängerin. Bevor die Zwillingsbrüder in die HAK Grazbachgasse kamen, gingen sie in das Lichtenfels-Gymnasium. Heinz erinnert sich in einem Interview an die Schulzeit: „Ich ging ins Lichtenfelsgymnasium, das eine Hochburg der Nationalsozialisten war. Es gab Prügeleien, es war nicht einfach dort. Es war eine gute Schule mit guten Lehrern, aber wir, mein Bruder und ich, waren fast die einzigen Juden in der Schule und noch dazu Zwillinge, was besonders auffallend war. “Ernst Wechsler, der Vater, wurde mehrmals verhaftet und landete auch öfters aufgrund von schweren Verletzungen, nachdem er von Antisemiten verprügelt worden war, im Krankenhaus. Gerade noch entging er im letzten Moment der Deportation nach Dachau. Danach hatte die Familie keinen festen Wohnsitz mehr. Sie wechselten rund viermal die Wohnung, denn jedes Mal hieß es, es
sei eine „christliche“ Wohnung. Also wohnten sie „aus Koffern“, denn sie wussten nie, wann sie wieder aus der nächsten Wohnung raus mussten.
Außerdem berichtet Heinz in einem Interview über seine Erinnerungen an diese Zeit, die er teils in einem sogenannten Kibbuz – seine Siedlung mit gemeinsamem Eigentum und basisdemokratischen Strukturen: „Der Stadtkibbuz in Wien war eine Kommune zur Vorbereitung für die Einwanderung nach Palästina. Es gab auch einen in Graz. Praktisch hatte man ja keine Möglichkeit auszureisen, wenn man kein „Affidavit“ oder Verwandte in Amerika hatte. Alles war geschlossen. Über diesen Stadtkibbuz konnte man nach Palästina oder ins Ausland kommen, eventuell nach England oder nach Holland. Mein
Bruder und ich gingen also in diesen Kibbuz in Wien in der Haasgasse, wo etwa 80 bis 100 Leute waren. Wir haben schwer gearbeitet. Die Arbeit bestand in erster Linie aus dem Transport von Möbeln bei der Umsiedelung von jüdischen Familien aus ihren schönen Wohnungen in kleinere. Das war eine Schlepperei, vor allem die Bücher. Wir haben dort auch die Wäsche gewaschen. Es war nett für uns, aber ein ganz anderes Leben. Es war schrecklich kalt, wir schliefen im Schlafsaal mit 40 Leuten. Aber wir waren jung …“
Gott sei Dank hat die Familie Wechsler es letztendlich geschafft, nach Palästina auszuwandern. Doch verkraftet haben es die Eltern nie, denn Heinz meinte: „Für ihn und auch für meine Mutter bedeutete die Emigration so etwas wie die Vernichtung.“