Biografie erstellt im Rahmen des Projekts der Universität Graz: https://1585-tomorrow.uni-graz.at/de/#/category/Erinnerung/Vertriebene%20Studierende (Gerald Lamprecht, Marco Jandl) – Vielen Dank für die Verwendung der Texte und Bildmaterialien.
Konstantin Radaković wurde am 11. Juli 1894 in Graz geboren. Sein Vater war der Physiker Michael Radaković (1866–1934). Die Familie zog 1896 nach Innsbruck, wo der Vater eine Stelle als Privatdozent für Theoretische Physik antrat. 1906 wurde er an den Lehrstuhl für Theoretische Physik an der Universität in Czernowitz berufen. Konstantin Radaković schloss dort im Jahr 1912 das Gymnasium ab und begann Philosophie zu studieren. Er setzte im Jahr darauf sein Studium in Innsbruck fort, wo er 1918 mit der Arbeit „Das Problem der Kausalität“ promovierte. Radaković zog daraufhin nach Graz, wo seine Familie nach der Berufung des Vaters auf den Grazer Lehrstuhl für Theoretische Physik 1915 übersiedelt war. Über seine Tante, die Schriftstellerin und Philosophin Mila Radaković (1861–1956), kam er in Graz mit dem Kreis um den Philosophen Alexius Meinong (1853–1920) in Kontakt. Ab 1921 arbeitete er an der Bibliothek des Seminars für philosophische Soziologie. 1924 habilitierte sich Radaković mit der Arbeit „Mechanismus und Vitalismus“ an der Universität Graz und lehrte fortan als Privatdozent. Dabei übernahm er auch die Leitung des Seminars für philosophische Soziologie. Sein Bruder Theodor Radaković (1895–1938) lehrte ab 1928 an der Technischen Hochschule in Wien als Privatdozent für Mathematik und bewegte sich im Umfeld des Wiener Kreises.
Radaković war als Philosoph dem Empirismus und Skeptizismus verhaftet. Seine Schriften waren von antimetaphysischen und antispekulativen Tendenzen gekennzeichnet. Er beschäftigte sich weiters mit Fragen der Soziologie und hierbei vor allem mit dem Verhältnis von Individuum und Gesellschaft.
1934 wurde Konstantin Radaković der Titel eines außerordentlichen Universitätsprofessors verliehen. Im selben Jahr starb der Vater Michael Radaković, dem 1936 Erwin Schrödinger auf den Grazer Lehrstuhl für Theoretische Physik nachfolgte. Im Jänner 1938 nahm sich der Bruder Theodor das Leben, was Konstantin Radaković in eine schwere persönliche Krise stürzte, die durch die folgenden politischen Ereignisse verstärkt wurde.
Nach dem „Anschluss“ 1938 machte Konstantin Radaković keinen Hehl aus seiner Ablehnung der menschenverachtenden Ideologie des Nationalsozialismus. Im Oktober 1938 legte er seine Dozentur freiwillig nieder, bevor ihm einen Monat später die Lehrbefugnis als politischem Gegner offiziell entzogen wurde. Das Seminar für soziologische Philosophie wurde damit defacto aufgelassen.
Radaković zog sich aus dem öffentlichen Leben weitgehend zurück. Zugleich unterstützte er jüdischen Familien durch Freikauf, wodurch ihm eine Anklage wegen Devisenvergehen drohte. Auch der Familie des befreundeten jüdischen Rechtsanwalts Ludwig Biró half er bei der Ausreise. Indem er nach einer Verwechslung irrtümlich festgenommen wurde, ermöglichte er durch die mehrtätige Verzögerung der Preisgabe seiner Identität dem eigentlich Verfolgten die Flucht.
Anfang 1941 emigrierte Radaković nach Kroatien, wo die Familie ein Gut in Kostajnica besaß. Im Februar desselben Jahres wurde ihm die kroatische Staatsbürgerschaft verliehen. Nach der Besetzung Jugoslawiens wurde er als politischer Häftling für drei Monate inhaftiert und sein Vermögen in Graz währenddessen beschlagnahmt. Nach seiner Freilassung lebte Radaković bis Kriegsende auf dem kroatischen Familiengut.
Nach Ende der NS-Herrschaft kehrte Radaković als Lehrender an die Universität Graz zurück. Im Oktober bekam er seinen Lehrauftrag für Philosophie zurück und übernahm provisorisch die Leitung des Philosophischen Seminars. 1946 wurde er zum außerordentlichen Professor der Geschichte der Philosophie und Soziologie ernannt. Weiters fungierte er als Leiter des von ihm reaktivierten Seminars für philosophische Soziologie. Radaković nahm in dieser Zeit auch die österreichische Staatsbürgerschaft wieder an. Die jüngere Vergangenheit am philosophischen Seminar, deren Lehrende wie Franz Häußler, Ernst Mally, Carl Siegel, Otto Tumlirz und Ferdinand Weinhandl sich während der NS-Zeit äußerst aktiv als „geistige Kämpfer“ für den Nationalsozialismus betätigt hatten, wurde in der Nachkriegszeit – auch von Radaković – nicht thematisiert.
1949 folgte die Ernennung zum Ordinarius, wobei Radaković den Lehrstuhl für Philosophie und den für philosophische Soziologie gleichzeitig vertrat. 1955 heiratete Radaković Josefine Eisenhut (verwitwete Rossmann). Zu Radakovićs 60. Geburtstag erschien ihm zu Ehren eine Festschrift, in der er als Philosoph und Verfechter von Humanität und Toleranz gewürdigt wurde. Im Jahr 1965 wurde Radaković emeritiert. Er verstarb am 19. September 1973 in seinem 80. Lebensjahr in Graz, wobei er noch bis kurz vor seinem Tod an der Urania unterrichtet hatte.
BIRÓ Ludwig, Die erste Hälfte meines Lebens. Erinnerungen eines Grazer jüdischen Rechtsanwalts von 1900–1940. Graz–Wien 1998.
BIRÓ Ludwig et al. (Hg.), Philosophie der Toleranz. Festschrift zum 65. Geburtstag von Konstantin Radakovic. Graz 1959.
KLIEBER Anna/KNAPP Thomas, Vergessener Widerstand, verdrängte Schuld: Das Grazer Philosophische Institut und die (gescheiterte) Entnazifizierung. In: Heimo Halbrainer/Susanne Korbel/Gerald Lamprecht (Hg.), Der „schwierige“ Umgang mit dem Nationalsozialismus an österreichischen Universitäten. Die Karl-Franzens-Universität Graz im Vergleich. Graz 2022, 225–254.
MÜLLER Reinhard, Biografie Konstantin Radaković. Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich. Universität Graz. Online: https://agso.uni-graz.at/nachlass/radacovic-konstantin-signatur-18/
RUTTE Heiner, Über K. Radakovic’ Auseinandersetzung mit dem Skeptizismus und das pragmatische Argumentieren in der Erkenntnistheorie. In: Thomas Binder et al. (Hg.), Bausteine zu einer Geschichte der Philosophie an der Universität Graz. Amsterdam–New York 2001, 347–372.