Geburt Amalie: 4. August 1919 in Graz |
19. Jänner 1926: Gemeldet bei Schörgelgasse 34, danach Tegetthofgasse 6 |
16. Juli 1935: Wohnadresse Neutorgasse 8/Ib |
4. Juni 1938: Sperrung des Geschäftes und Verweis von Inhaber Robert Silberstein |
26. Juli 1938: Robert Silberstein äußert Wunsch zur Emigration in die USA |
9./10. November 1938: Verhaftung der Familie Silberstein. Robert und Otto werden nach Dachau verschleppt |
Frühjahr 1939: Robert flüchtet nach Italien, Melanie und Otmar treten in Wiener Stadtkibbuz ein |
Februar 1939: Melanie kann als Stubenmädchen nach England migrieren |
3. August 1939: Flucht von Otto und Samuel in die USA, Rejla Feiga migriert nach England |
Die Familie Silberstein lebte seit dem Juli 1935 in der Neutorgasse 8 im ersten Stock. Im Erdgeschoss befand sich das Kleidergeschäft mit Adresse Neutorgasse 6-8 und Marburgerkai 5. Geworben wurde mit dem Werbespruch „Wer ist billig? Robert Silberstein“.
Die Familie bestand aus den Eltern Robert (auch Rachmil) und Rejla Feiga (Felizitas Feige) Silberstein und den Kindern Amalie (Melanie), geboren im August 1919, Otmar (Otto), geboren im April 1921, und Samuel, geboren im Mai 1924 in Graz. Alle drei Kinder besuchten die jüdische Volksschule am Grieskai.
Robert war von Beruf Schneidermeister und Kaufmann. Er war der jüngere Bruder von Markus Silberstein, der in der Mariahilferstraße 3 und in der Sackstraße 16 Geschäfte besaß. Noch in Polen lernte er Rejla Feiga kennen, eine Cousine ersten Grades. Robert zog nach Ende des Ersten Weltkrieges nach Graz, wo bereits der ältere Bruder Markus wohnhaft war. Rejla Feiga folgte ihm und am 4. August 1919 wurde Tochter Amalie in Graz geboren. Wenige Jahre später kamen die Söhne Otmar und Samuel zur Welt.
Mit Etablierung der NS-Herrschaft in Österreich setzte auch die Repression gegen die jüdische Bevölkerung ein. Noch im Mai 1938 wurde der siebzehnjährige Otmar Silberstein vor Ende des Schuljahres aufgrund seiner jüdischen Herkunft der Schule verwiesen. Sein Vater brachte ihm daraufhin das Schneiderhandwerk bei, weshalb er im Reisepass als Schneiderlehrling vermerkt war.
Nachdem mit Beginn der NS-Herrschaft schon Bruder Markus im Mai 1938 seine Geschäfte verloren hatte, kam es Anfang Juni zur Denunziation des Betriebes durch Wilhelm Wogrinetz, der als „kommissarischer Verwalter“ des Modenhauses Markus Silberstein eingesetzt worden war. Wogrinetz bezichtigte Robert Silberstein, eingehende Geldbeträge nicht zur Bezahlung von offenen Rechnungen zu verwenden und begründete damit seine Bewerbung als „kommissarischer Verwalter“ des Geschäftes in der Neutorgasse. Außerdem gab er an, über die „Verhältnisse der Verwandtschaft Silberstein sehr gut orientiert“ zu sein, so vermerkt in einem Brief am 23. Juni 1938. Bereits einen Tag nach Wogrinetz Anzeige wurde das Geschäft durch die NS-Behörden gesperrt und Robert Silberstein das Betreten des Kaufhauses untersagt. Im Unterschied zu seinem Bruder wehrte er sich nicht dagegen, um der sonst drohenden Verhaftung zu entgehen. Ab diesem Zeitpunkt war die Familie ihrer ökonomischen Grundlage beraubt und musste Gegenstände und Mobiliar aus der Wohnung verkaufen, um die eigene Existenz zu sichern.
Am 23. Juni 1938 wurde das Geschäft unter „kommissarische Verwaltung“ gestellt und Rudolf Guggi hierfür eingesetzt. Begründet wurde dies vom Gauwirtschaftsberater damit, dass eine „Gefahr der Vermögensverschleppung“ vorliege. Noch am gleichen Tag bat Robert Silberstein zumindest darum, „im ersten Stock zwei Zimmer behalten“ zu dürfen, wo er als Schneider für den neuen Geschäftsinhaber arbeiten wollte.
Mit Fortschreiten des Enteignungsprozesses trat er Ende Juli an den „kommissarischen Verwalter“ Guggi mit dem Entschluss heran, mit seiner Familie in die USA auswandern zu wollen. Er begründete das damit, dass nach Schließung seines Geschäftes er weder Arbeit noch Einkommen habe, außerdem erkrankt sei und sich deshalb außerstande sehe, seine Familie zu erhalten. Die Situation verschlechterte sich weiter, als Ende September 1938 das Konkursverfahren gegen die Firma Robert Silberstein eröffnet wurde, womit die restlichen Vermögenswerte bedroht waren. Verzweifelt bat Silberstein um eine Zurückstellung des Konkurses, da ansonsten die Reisekosten für die Fahrt nach Amerika nicht gedeckt werden konnten.
Ende Oktober wurde Roberts älterem Bruder die Wohnung in der Conrad-von-Hötzendorfstraße 3 entzogen. Daraufhin nahm man Markus, Salka und Otto Silberstein bei sich in der Wohnung auf, was zu beengten Wohnverhältnissen für zwei Familien führte. Bereits zuvor hielt sich Salka längere Zeit bei der Familie ihres Schwagers auf, da ihr Mann Markus Silberstein seit dem Frühjahr 1938 regelmäßig in „Schutzhaft“ genommen wurde.
Im Zuge der Novemberpogrome kam es zur Verhaftung der gesamten Familie. Während Robert und der älteste Sohn ins KZ Dachau verschleppt wurden, verbrachten auch Feiga, Tochter Melanie und der erst 14jährige Samuel mehrere Tage im Gefängnis. Beim Transport nach Dachau erlitt Robert einen völligen gesundheitlichen Zusammenbruch und musste daraufhin medizinisch betreut werden. Sohn Otmar, zu diesem Zeitpunkt erst 17 Jahre alt, blieb bis Ende Dezember 1938 in Dachau inhaftiert. Mit der Auflage, innerhalb weniger Wochen das Land zu verlassen, wurde er schließlich entlassen. Daraufhin gab es in München ein Wiedersehen mit den Eltern und man beschloss, bei erster Gelegenheit aus dem Land zu flüchten.
Während Robert Silberstein im Frühjahr 1939 mithilfe jüdischer Organisationen nach Italien gelangte, traten Tochter Melanie und Otmar dem Wiener Stadtkibbuz bei, wo sie auf die illegale Einreise nach Palästina vorbereitet wurden. Als sich im Februar die Möglichkeit ergab, dass Melanie als Stubenmädchen nach England migrieren konnte, verblieb Otto allein im Kibbuz.
Dank der Hilfe von Tante Frieda Rothenberg konnte er jedoch gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Samuel am 3. August 1939 in die USA einreisen. Mutter Feiga begleitete die beiden bis Southampton (England), wo sie bereits Tochter Melanie erwartete. Aufgrund ihrer polnischen Staatsbürgerschaft und der damit verbundenen Schlechterstellung bei den US-amerikanischen Einreisequoten, war es ihr nicht möglich, ihre Söhne zu begleiten. Mutter und Tochter überstanden den Krieg in England.
Als am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg mit dem Überfall Deutschlands auf Polen begann, trat Robert freiwillig in die französische Armee ein und tauchte nach der Niederlage Frankreichs im Sommer 1940 in Nizza unter, wo er sich ökonomisch mit Schneiderarbeiten erhielt. Zwei Jahre später konnte er, Dank der Bemühungen Ottos, mit einem der letzten Schiffe Frankreich in Richtung USA verlassen. Im Jahr 1945 gelangte auch Rejla Feiga nach Amerika, ermöglicht durch Papiere, die von Sohn Otmar ausgestellt worden waren. Amalie blieb dagegen noch länger in England, wo sie einen belgischen Staatsbürger heiratete, dem zuvor die Flucht aus Dünkirchen gelungen war. Gemeinsam bekamen sie einen Sohn. Nach Zerbrechen der Beziehung und Scheidung zog sie jedoch zur restlichen Familie in die Vereinigten Staaten.