Olga Blüh

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geboren: 28. November 1889 in Teplitz-Schönau (Teplice) in Böhmen
1926 Heirat mit Wilhelm Blüh
3. Oktober 1938 „Arisierung“ des Geschäfts Blüh durch Karl Veverka
5. November 1938 Hausverkauf an Geschwister Plessing
7. Jänner 1939 Umzug zur Adresse Herrandgasse 14
Jänner 1939 Olga Blüh in Haft
April 1939 Flucht nach Jugoslawien
1941 Zwangsarbeit im Lager Jastrebarsko
1943 Emigration nach Ecuador
1974 verstorben in Chile

Olga Fleischer wurde in Teplitz-Schönau (Teplice) im nordöstlichen Böhmen geboren, Teil des sogenannten Sudetenlandes (heute Tschechien). Alleinstehend und Mitte dreißig heiratete sie im Jahr 1926 den Witwer Wilhelm Blüh, der drei Kinder in die Ehe mitbrachte. Wilhelms erste Frau Adele war vier Jahre zuvor unerwartet verstorben.

Die Heirat brachte Olga soziale Anerkennung. Andererseits stand sie plötzlich vor der Herausforderung, drei Kinder in einer schwierigen Situation großzuziehen. Hans rebellierte gegen sie in Folge seiner Adoleszenz, Schwester Gertrude war ein kränkliches Kind und der jüngste Sohn Alfred erst vier Jahre alt. Er war die ersten Jahre in Ungarn bei einer Tante aufgewachsen und sprach besser ungarisch als deutsch.

Olga ließ eine strenge Erziehung walten und versuchte die Kinder zu disziplinieren, was besonders beim ältesten Hans auf Widerstand stieß. Gemeinsam mit seiner 19-jährigen Cousine Elsie Lefkovits, die auch in der Annenstraße lebte, rebellierte er gegen die Stiefmutter. Elsie war die Tochter von Johanna Wurmfeld, Schwester von Adele Blüh, geborene Wurmfeld, und wohnhaft im ungarischen Szombathely (Steinamanger). Johanna überlebte den Zweiten Weltkrieg nicht, sie wurde im Juni 1944 in Auschwitz ermordet. Tochter Elsie ermöglichte Hans die Flucht in die USA, womit sie sein Leben rettete.

Eine enge Beziehung hatte Olga zur Stieftochter Gertrude, die sie nach Kräften zu unterstützen versuchte. Kurz nachdem sie die Schule beendet hatte, heiratete Trude Josef Scharfstein, einen Geschäftsmann, der im Holzhandel tätig war. Im Sommer 1935 bezogen die beiden ihre gemeinsame Wohnung im Stadtteil St. Leonhard.

Olga Blüh mit Alfreds Kindern Roberto und Sonia Anfang der 1970er Jahre (c) Roberto Blueh

Olga Blüh mit Alfreds Kindern Roberto und Sonia Anfang der 1970er Jahre
(c) Roberto Blueh

Auf den „Anschluss“ im März 1938 folgte eine Verhaftungs- und Repressionswelle, von der auch die Familie Blüh betroffen war. Ehemann Wilhelm wurde ins KZ Dachau verschleppt, Stieftochter Trude sechs Wochen inhaftiert und Schwiegersohn Josef Scharfstein wegen „Devisenvergehen“ verhaftet. Darauf folgte der Zwangsverkauf von Firma, Geschäft und Haus in der Annenstraße 31 im Zuge der nationalsozialistischen Maßnahmen zur „Entjudung“. Von Frühsommer bis Jahresende 1938 wurden der Familienbesitz und das Vermögen veräußert, Firmeneigentümer Wilhelm Blüh mittels KZ-Haft fügsam gemacht. Auch Olga besaß ein Haus in ihrem Geburtsort Teplitz-Schönau in Tschechien, das am 6. Dezember von Dr. Friedrich Franz unter „kommissarische Verwaltung“ genommen wurde. Um die „Sicherstellung des Mietzinsertrages“ sollte sich ab Februar 1939 Franz Brunner kümmern, „kommissarischer Verwalter“ der Firma Blüh.

Schon seit dem Sommer 1938 traf die Familie Vorbereitungen zur Emigration, der jüngste Sohn Alfred wurde im Herbst schließlich zu Verwandten nach Jugoslawien geschickt. Ende November lagen Einreisebewilligungen für Olga und Wilhelm für Uruguay vor. Während Wilhelm Blüh Mitte Dezember aus Dachau entlassen und nach Graz überstellt wurde, gelang Tochter Gertrude und Schwiegersohn Josef die Flucht nach Jugoslawien. Im Jänner 1939 wurde schließlich Olga inhaftiert und Wilhelm musste für sie eine „Bürgerschaftserklärung“ zum Zwecke der Haftentlassung in der Höhe von RM 20.000,- abgeben.

Olga und Wilhelm lebten noch bis Ende März 1939 in Graz, wo sie bei Oskar Handler bei der Adresse Herrandgasse 14 wohnten. Am 31. März meldete sich Olga beim Grazer Meldeamt ab und gab an, nach Wien übersiedeln zu wollen. Am 8. April hatten beide schließlich Zagreb erreicht, wo sich auch ein Großteil der Familie eingefunden hatte.

Während sich für die Kinder bald unterschiedliche Fluchtmöglichkeiten auftaten, ließen Olga und Wilhelm die Möglichkeit ungenutzt, mittels Schiff nach Shanghai zu gelangen. Mit dem Einmarsch der Wehrmacht am 6. April 1941 spitzte sich die Situation für das Ehepaar Blüh zu. Beide wurden schließlich von den faschistischen Ustascha ins Lager Jastrebarsko verschleppt, wo sie harte körperliche Arbeit leisten mussten. Es gelang ihnen zu fliehen und Ljubljana (Laibach) zu erreichen, wo Wilhelm jedoch am 9. Dezember 1941 einem Herzinfarkt erlag.

Olga gelang es die Kinder über das plötzliche Ableben ihres Vaters zu informieren, die sich zu dieser Zeit in den USA, Südamerika und Palästina befanden. In einer deutschsprachigen New Yorker Zeitung erschien sogar eine Todesanzeige. Mithilfe eines katholischen Priesters namens Weber gelang Olga die Flucht nach Ecuador, wo sie im Jahre 1943 eintraf und Trude wiederfand. Ihr gelang es sogar einige Diamanten in einem Bündel Strickwolle über den Atlantik mitzunehmen. Dass sie für Ecuador eine Einreisegenehmigung erhielt, war wiederum Schwiegersohn Josef Scharfstein zu verdanken, der alles Notwendige dazu veranlasste.

Olga war sich darüber im Klaren, dass sie eine wichtige Rolle für die Familie spielte. So bewahrte sie Kopien von Dokumenten auf und wies noch in Zagreb ihren Bruder in England an, Wilhelms Briefe zu sammeln.

Familie Blüh ca. 1960 Von links nach rechts: Gertrude und Tochter Daniela Scharfstein, Olga und Hans. Sitzend davor: Inge Blueh-Weglein mit Sonia und Roberto (c) Roberto Blueh

Familie Blüh ca. 1960
Von links nach rechts: Gertrude und Tochter Daniela Scharfstein, Olga und Hans. Sitzend davor: Inge Blueh-Weglein mit Sonia und Roberto
(c) Roberto Blueh

In Ecuador traf Olga auf Trudes und Josés Sohn Denis, einen niedlichen, kleinen, blondhaarigen Buben, ungefähr drei Jahre alt, der fließend Deutsch und Spanisch sprach. Zum erstgeborenen Enkel von Wilhelm baute Olga ein sehr inniges und intimes Verhältnis auf. Gemeinsam verbrachten sie viel Zeit und gingen einigen Hobbies wie Schifahren nach. Großmutter Olga sollte noch bis in ihre Siebziger auf den Schiern stehen.

Charakterlich war Olga eine Frau mit starkem Willen, die auf ihre Unabhängigkeit und Eigenständigkeit Wert legte. Sie war stets darum besorgt für niemanden eine Belastung zu sein. In Santiago (Chile) lebte sie allein in einer kleinen Wohnung und betrieb einen Laden, wo man diverse Kleingegenstände erwerben konnte.

Olga schätzte elegant servierte Speisen und konnte selbst hervorragende Palatschinken zubereiten, wobei sie ihre Rezepte nicht verriet. Manchmal trat sie herrisch auf, aber dann musste man wieder ihre Charakterstärke und Selbstdisziplin bewundern. Die Emigration bedauerte sie bitterlich, verneinte aber nicht die Gegebenheiten und sah sich selbst in der Verantwortung das Leben nach ihren Maßstäben zu meistern.

Olga Blüh verstarb im Jahre 1974 in Chile.

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