P. Ansgar Brehm, geboren am 20. Juli 1890 in Theilheim (Bayern) als Kind einer frommen Bauernfamilie, trat mit 22 Jahren in den Minoritenorden in Würzburg ein. Nach seinem Noviziat absolvierte er die theologischen Studien Großteils in Freiburg in der Schweiz. Dort wurde er auch 1921 zum Priester geweiht. Wegen des 1. Weltkrieges, in dem er als Krankenpfleger eingesetzt war, erfolgte die feierliche Profess erst im Jahre 1921.
Bereits ein Jahr später gehorchte er dem Wunsch seines Provinzials in Würzburg und ging nach Österreich.
Von 1922 bis 1929 wirkte er als Kaplan in der Ordenspfarre Neunkirchen. Seit 1929 ist seine neue Wirkstätte die Ordenspfarre Mariahilf in Graz. Hier entwickelte er als Kaplan, als Pfarrvikar einen großen seelsorglichen Eifer. In seiner stillen Art und durch seine große Bescheidenheit verstand er, rasch das Vertrauen der Menschen, die mit seelischem, geistigen oder materiellen Nöten zu ihm kamen, zu gewinnen. Er baute in Mariahilf den Dritten Orden als Laienorganisation aus, um dadurch vor allem in den Notzeiten der Dreißigerjahre und in der unmittelbaren Nachkriegszeit vielen helfen zu können. Aus Aufzeichnungen geht hervor, dass er in der Bevölkerung oft das „Herz von Mariahilf“ genannt wird. Er wurde ein geschätzter Beichtvater über die gut besuchte Wallfahrtskirche und Pfarre Mariahilf hinaus. Ebenso erstreckte sich weit über die Pfarrgrenze hinaus seine Sorge um die Armen und die Kranken. Unter seiner Leitung als Drittordensdirektor blühte die franziskanische Drittordensgemeinde. Diese hat sich sehr um die Pfarrkirche und um das Leben in der Pfarrgemeinde verdient gemacht.
In der Zeit des Nationalsozialismus sprach er sich öffentlich gegen das unmenschliche System aus.
Er wurde das Opfer eines Spitzels namens Josef Fritz, der ihn im Februar 1941 im Kreuzgang des Minoritenklosters Graz ansprach und vorgab, Soldat zu sein, sich aber jetzt unglücklich fühle, da er aus der Kirche ausgetreten sei. In der Zeit von Februar bis Mai 1941 fand laut Urteilsabschrift jeden Sonntag ein Treffen zwischen den beiden statt, wobei P. Ansgar öfters dem Soldaten Josef Fritz kritische Äußerungen gegenüber Führer, Regierung und Krieg gemacht haben dürfte. So habe er festgestellt, dass Hitler für ihn nichts anderes als ein Mann mit vielen Fehlern sei, ein Tyrann, der wie Napoleon Europa zu unterjochen versucht. Weiters behauptete er, dass Priester und Nationalsozialisten sich nicht vereinen ließen, da die Priester den Frieden predigen, der Nationalsozialismus aber Hass unter das Volk streut. Schließlich im März 1941 bei einem Ausflug nach Mariatrost sagte er: „Hitler ist für mich nicht der Führer, sondern der Verführer seines Volkes. Ich habe daher auch bei der Volksabstimmung im Jahre 1938 mit „nein“ gestimmt. Die Blutschuld, die sich die verantwortlichen Männer durch den Krieg auf sich laden, ist furchtbar. Ich kann nicht verstehen, dass die verantwortlichen Männer ihre Rechte zum Schaden des Volkes so missbrauchen.“
Die Volksabstimmung im Jahre 1938, behauptete der Geistliche, war ein Schwindel, denn beim Beichthören in seinem Dorfe haben ihm eine Reihe von Leuten anvertraut, dass sie mit „nein“ gestimmt hatten, was im Widerspruch zu dem Wahlergebnis stand, da ihm alleine in der Beichte schon mehr „Neinstimmen“ anvertraut wurden, als es im Wahlergebnis bekannt gegeben wurde.
Zusammengestellt von Mag. Christof Müller
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Aus der Chronik der Pfarre Mariahilf, verfasst im Rückblick von P. Ansgar selbst:
„Am 23. Juli 1941 morgens kam die Geheime Staatspolizei morgens um 7 Uhr zu mir und visitierte das Zimmer und nahm mich dann mit. Ich hatte schon einige Tage Darmkatarrh, was meinen Zustand noch bedeutend erschwerte. Mehrere Male wurde ich von 2 Gestapo-Polizisten verhört. Ein Soldat Josef Fritz aus Innsbruck, der im Frühjahr mehrmals bei mir war mit der fälschlichen Angabe von der katholischen Kirche abgefallen zu sein und wieder zur Kirche zurückkehren zu wollen, hatte sich in mein Vertrauen eingeschlichen und Jüngerschaft geheuchelt, alles aufgeschrieben, was ich sagte, auch Manches verwechselt und mich dann denunziert. Ich hatte ein Herz für den jungen, verwaisten Mann und unterstützte ihn mit Erlaubnis von P. Guardian auf allerlei Weise. Wie ich später bei der Verhandlung erfuhr war mein Verräter bei der H.J. und wollte zur SS und da sollte ich ihm als Sprungbrett dienen. 14 Tage war ich im Polizeigefängnis (von Wanzen gequält, sodass ich wenig schlafen konnte. Ein Trost war mir, dass durch meine Verhaftung niemand anderer hineingezogen wurde. Vom 6. August 1941 bis 15.1.1942 war ich im Landesgericht, meist mit Kommunisten zusammen, die aber alle anständig gegen mich waren und mich wegen meinen religiösen Übungen niemals ausspotteten, sondern es baten sogar mehrere um Gebetshilfe). Am Heiligen. Abend 1941 erhielt ich die Anklageschrift, worin unter anderem stand, dass ich mich geweigert habe, mich einem „nützlichen Beruf“ zuführen zu lassen; dann waren Gerichtsferien, sodass ich am Tag der Verhandlung kaum eine halbe Stunde vorher mit meinem Advokaten über meinen Straffall reden konnte. Am 2. Jänner 1942 war meine Verhandlung durch das Sondergericht (3 Richter) unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Mein Advokat war für Freispruch, aber nach dem „Annahmegesetz“ wurde ich zu 3 Jahren Gefängnis verurteilt. Ich konnte erst nur die Worte beten: „Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, aber gottlob bekam ich bald wieder das seelische Gleichgewicht und fand wieder im vielen Beten Trost und Kraft. Oft küsste ich mein Brevier und wie lieb war mir mein Rosenkranz. Im Sondergericht (als Untersuchungsgefangener) durfte ich niemals den Gottesdienst besuchen, nicht einmal am hohen Weihnachtsfeste. Am 15. Jänner 1942 kam ich zur Abbüßung meiner Strafe in die Strafanstalt Karlau. 1 ¼ Jahre war ich in Einzelhaft, eine Herzschule der Gedanken und des Gebetes. Mit dem Hl. Paulus konnte ich sprechen: „Ich bin voll des Trostes und überreich an Freude bei all meiner Traurigkeit“. Am 1. Feb. 1942 konnte ich seit 23.7.1941 wieder einmal dem Heiligen Messopfer beiwohnen. Meine ersten Tränen in der Gefangenschaft, Tränen der Rührung, der Freude. Ich verfertigte Papiersäcke. Am 1. August 1943 (Petri Kettenfeier) wurde ich „bedingter Weise“ begnadigt. Da fühlte man etwas von Auferstehung…“
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Quellen: Chronik der Pfarre Maria Hilf, Personalakt P. Ansgar Brehm, Diözesanarchiv Graz
Mit freundlicher Unterstützung von Mag. Christof Müller