Biografie erstellt im Rahmen des Projekts der Universität Graz: https://1585-tomorrow.uni-graz.at/de/#/category/Erinnerung/Vertriebene%20Studierende (Gerald Lamprecht, Marco Jandl) – Vielen Dank für die Verwendung der Texte und Bildmaterialien.
Berthold Fleissig (1913–1975) wurde am 14. Oktober 1913 in Graz geboren. Fleissig war begeisterter Zionist und in verschiedenen zionistischen Vereinigungen in Graz tätig. So war er Obmann des von Februar 1932 bis Ende 1933 bestehenden Mittelschülerbundes „Brith Herzl“ und danach Mitbegründer und Vorsitzender des 1934 gegründeten Jugendvereins „Betar“. Die Vereinigung Betar sah ihren Vereinszweck darin, die jüdische Jugend für den Aufbau des jüdischen Staates in Palästina vorzubereiten.
Nach der Matura an der Handelsakademie im Jahr 1932 begann Fleissig nach Absolvierung des universitären Lateinkurses mit Wintersemester 1933/34 an der Grazer Juridischen Fakultät zu studieren. Fleissig war als Student aktives Mitglied der jüdischen akademischen Verbindung Charitas.
Nach dem „Anschluss“ 1938 gelang Fleissig noch im laufenden Sommersemester das zweite und dritte Rigorosum abzulegen. Am 1. Juni 1938 promovierte er zum Doktor der Rechte. Mit seiner Verlobten Gertrude Werdisheim (geb. 29.5.1916), deren Familie in Leoben ein bekanntes Kaufhaus betrieb, gelang ihm am 1. November 1938 von Wien aus die Flucht nach Palästina. Mit der Emigration nach Palästina war auch die Hebräisierung seines Namens in „Dov Charuz“ („dov“ = „Bär“, „charuz“ = „fleißig“) verbunden.
Berthold Fleissig und Getrude Werdisheim heirateten am 10. Februar 1939 in Tel Aviv. Gertrudes Eltern, Max und Bertha Werdisheim, ihre Geschwister, die Zwillinge Harry und Walter, und viele weitere Verwandte wurden im Holocaust ermordet. Ihr Schwester Alice überlebte versteckt bei einer Familie in Bosnien und Herzegowina und kam 1948 nach Palästina. [Anm: Für die Familie Werdisheim wurden 2019 in Leoben Stolpersteine verlegt: https://www.stolpersteine-graz.at/ststeiermark/werdisheim-bertha/]
In Palästina kämpfte Berthold Fleissig bzw. Dov Charuz in der jüdischen Untergrundarmee Haganah gegen die britische Mandatsmacht und war danach Offizier bei den israelischen Streitkräften. Später arbeitete er als Beamter in Tel Aviv. Er war nach 1945 federführend bei der Reaktivierung der früheren Grazer Studentenverbindung Charitas, die als Altherrenverband in Israel offiziell bis 1985 fortbestand. Zusammen mit anderen im Jahr 1938 vertriebenen Mitgliedern wie Otto Pollak oder Alois Mandel engagierte er sich für die Verbindung bis zu seinem Tod am 16. Oktober 1975.
BERGER Matthäus, Zionistische Vereine. In: Heimo Halbrainer/Gerald Lamprecht (Hg.), Jüdischer Gries. Eine Spurensuche. Graz 2022, 66–76.
Eintrag zur Familie Werdisheim. Website Verein für Gedenkkultur – Stolpersteine in Graz. Online unter: https://www.stolpersteine-graz.at/ststeiermark/werdisheim-bertha/
GUSSMAGG Lena, „Von normaler Kindheit ist keine Red‘“. Jüdische Kindheit und Jugend im Graz der Zwischenkriegszeit. Masterarbeit. Universität Graz 2021.
KUMAR Victoria, In Graz und andernorts. Lebenswege und Erinnerungen vertriebener Jüdinnen und Juden. Graz 2013.
SEEWANN Harald, J.A.V. Charitas Graz 1897–1938: die Geschichte einer jüdischen Studentenverbindung in Worten, Bildern und Dokumenten. Graz 2001.
SEEWANN Harald, Die Jüdisch-Akademische Verbindung CHARITAS Graz. 1897–1938. Band 2. Graz 1987.