Jakob Gapp

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HIER LEHRTE
JAKOB GAPP
JG. 1897
IM CHRISTL. WIDERSTAND
FLUCHT 1939
FRANKREICH, SPANIEN
VERHAFTET 1942
FRANKREICH
‚FEINDBEGÜNSTIGUNG‘
HINGERICHTET 13.8.1943

 

Jakob Gapp wurde am 26. Juli 1897 als siebtes Kind von Martin Gapp und Antonia Wach in Wattens in Tirol geboren. Sein Vater arbeitete in der örtlichen Papierfabrik und Jakob verbrachte seine Kindheit in einer typisch bäuerlichen Umgebung, aber auch sehr ärmlichen Verhältnissen. Von 1904 bis 1910 besuchte er die Volksschule seines Dorfes und half in der Freizeit zu Hause in der Landwirtschaft. 1910 wurde er auf Vorschlag des Pfarrers in das Franziskanergymnasium in Hall in Tirol aufgenommen. Dort verbrachte er fünf Jahre und galt – Überlieferungen seiner Lehrer und Mitschüler nach – als ein Vorbild an Charakterfestigkeit und Willensstärke.

Seine Schulzeit wurde durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen. Am 24. Mai 1915 wurde Gapp zur Infanterie einberufen und bereits einen Monat später mit den Tiroler Standschützen an die italienische Front geschickt. 1916 wurde er verwundet, nach seiner Genesung allerdings gleich wieder an die vorderste Linie abkommandiert, wo er zu Kriegsende am 4. November 1918 in Riva gefangen genommen wurde und bis August 1919 in italienischer Kriegsgefangenschaft blieb.

Nach seiner Rückkehr fand Jakob seine Familie in großer Armut vor, sein Vater war gestorben. Nachdem er die Matura nachgeholt hatte, wollte er studieren, doch dafür fehlte das Geld. Ein Bekannter riet ihm, zu den Marianisten – einer katholischen Ordensgesellschaft – zu gehen, die eine Ausbildungsmöglichkeit für junge Männer anbot. So trat er am 13. August 1920 auf dem Greisinghof in Tragwein bei Linz in den Orden ein und wurde am 26. September zum Noviziat zugelassen. In dieser Zeit reifte bei ihm der Gedanke, Priester zu werden. Nach der Beendigung des Noviziats wurde Jakob im September 1925 erstmals an das Marieninstitut in Graz versetzt, wo er vier Jahre hindurch die Funktion des Studentenpräfekts und Sakristans innehatte, während er privat Französisch und Philosophie studierte. Das Marieninstitut an der Ecke Kirchengasse/Grabenstraße war 1858 gegründet wurden und diente dem Orden als Waisenhaus, sowie später als hochangesehene Schule. Schließlich legte Jakob Gapp im August 1925 das „ewige Gelübde“ ab und studierte Theologie an der Universität in Freiburg in der Schweiz. Dort orientierte er sich am Ideal der Regeln des Ordens, litt aber unter der „Lauheit“, die er bei Mitbrüdern manchmal verspürte. An ihm wiederum wurde sein impulsiver Charakter von seinen Vorgesetzten immer wieder kritisiert. Doch Gapp ließ sich nicht in eine vorgegebene Form pressen, sondern studierte mit Offenheit, Weitblick und Kritik.

Graz, Grabenstraße, mit Marien-Institut, 1913 https://gams.uni-graz.at/iiif/o:gm.7316/RECTO/full/full/0/default.jpg

Graz, Grabenstraße, mit Marien-Institut, 1913
Quelle: Geisteswissenschaftliches Asset Management System, Uni Graz

 
Am 5. April 1930 wurde Jakob Gapp in Fribourg zum Priester geweiht und feierte am 20. Juli Primiz in seinem Heimatort Wattens. Nach Stationen als Präfekt, Katechist und Kaplan in Freistadt und Lanzenkirchen kehrte er 1934 als geistlicher Leiter, Religionslehrer und Präses der Vinzenzgemeinde in das Marieninstitut nach Graz zurück. Dort kümmerte er sich während der Zeit der großen Wirtschaftskrise um die Armen, die „Ausgesteuerten“, des Viertels. Er versuchte auch, die Studenten in diese Arbeit einzubinden und bei seinen Schülern eine soziale Verantwortung zu wecken. Oft verzichtete Gapp im Winter auf die Beheizung seines Zimmers, um bei seinen Hausbesuchen den bedürftigsten Familien etwas Holz und Kohle mitzubringen. Kirchliche Soziallehre sollte für ihn kein leeres Wort bleiben. Robert Johann Strobl, ein damaliger Schüler Gapps, erinnert sich: „Wir durften ihn zu den Ärmsten der Armen in der Stadt Graz begleiten und helfen, um dort Brot, Semmeln und Geld zu verteilen. Für uns Schüler war es immer ein Erlebnis, eine Auszeichnung, ihm in die Elendsquartiere folgen zu dürfen, um angewandt Gutes zu tun“.

Gapp beschäftigte sich früh mit dem aufkommenden Nationalsozialismus und gelangte dabei zur festen Überzeugung, dass die Prinzipien dieser neuen politischen Ideologie mit der Lehre der katholischen Kirche unvereinbar waren. Wie aus den späteren Vernehmungsprotokollen der Gestapo herauszulesen ist, waren dafür auch „gewisse Vorkommnisse in Graz“ mitverantwortlich. Im Gegensatz zu vielen Kollegen sah er es daher als seine Pflicht, sich energisch und konsequent gegen die nazistischen Verzerrungen auszusprechen. Dabei litt er sehr darunter, dass viele Glaubensbrüder einen „modus vivendi“ zwischen der Kirche und nationalsozialistischer Politik suchten. Gapp wurde zunehmend mit offenkundiger Isolation und großem Unverständnis konfrontiert.

Aus deklarierter Ablehnung gegen den Nationalsozialismus verweigerte er nach dem „Anschluss“ von Österreich an das „Deutsche Reich“ im März 1938 im Privatrealgymnasium des Marieninstituts in Graz die Ableistung des Hitler-Grußes. Außerdem trug er auch kein Hakenkreuzabzeichen. Die Ordensleitung sah dieses Verhalten als Gefahr für die Gemeinschaft und die Schule, da man sich um ein gutes Auskommen mit den neuen Machthabern bemühte. Gapp schrieb später in einem Brief an einen Kollegen über diese Zeit: „Der unheilvolle Tag für unser Vaterland vertrieb mich vom Marieninstitut. Der Direktor fand es damals sehr klug, eine Wendung um 180° zu machen. Er schrie ‚Heil Hitler’ und trug das Hakenkreuz. Er verlangte von allen, wie er, das Hakenkreuz zu tragen, obwohl es von den Behörden nicht vorgeschrieben war. Alle sagten, das sei Heuchelei.“

Jakob Gapp https://jakob-gapp.zurerinnerung.at/

Jakob Gapp
Quelle: zurerinnerung.at

 
Gapp musste nach Tirol zurückkehren, wo er am 1. September 1938 das Amt des Kaplans in der Pfarre Breitenwang-Reutte antrat. Außerdem lehrte er in der Volks- und Hauptschule von Reutte Religion. Nachdem dort bei einer Schulinspektion festgestellt wurde, dass er das Gebot der Nächstenliebe ohne Rücksicht auf Nationalität, Rasse und Religion propagierte, erhielt er ein allgemeines Unterrichtsverbot. Von der Schule suspendiert, verließ er Reutte und fand Aufnahme bei Verwandten in Wattens, wo er am 11. Dezember am dritten Adventsonntag in der Pfarrkirche eine denkwürdige Predigt hielt, in dem er das nationalsozialistische Weltbild offen und scharf kritisierte. Daraufhin musste er das Land verlassen. Das Regime sah ihn – laut späterer Anklageschrift – als „Judenfreund und Gegner des Führers“.

Seine Flucht führte ihn zuerst über Osttirol und Norditalien nach Bordeaux in Frankreich – wo er im Mutterhaus der Marianisten einige Monate als Beichtvater und Bibliothekar wirkte, bei einer Predigt am Ostersonntag aber schon von Gestapo-Agenten beschattet wurde – und dann nach Spanien, wo er sich ebenfalls gegen den Nationalsozialismus engagierte. Er verteilte Broschüren mit englischen Rundfunknachrichten über die Kriegsereignisse und arbeitete als Lehrer. Doch Gapp litt unter Heimweh und Unverständnis, denn in Spanien war die Mehrheit Hitler gegenüber durchaus positiv eingestellt. Er nahm sich eine einjährige Auszeit. Als er danach mit neuem Elan wieder zu unterrichten begann, entführten ihn deutsche Agenten im November 1942 durch eine List – sie gaben sich als deutsche Juden aus und baten ihn, er möge sie im katholischen Glauben unterrichten – aus Valencia in das von der Wehrmacht besetzte Frankreich. Dort wurde er verhaftet und nach Berlin gebracht. In den Verhören stand Gapp zu seinem Glauben und dessen Unvereinbarkeit mit dem Nationalsozialismus. In einer Vernehmung im Januar 1943 sagte er: „Ich hatte in den Jahren vor dem Anschluss meine Schüler auf Grund meiner Einstellung als katholischer Erzieher in dem Sinne stets belehrt, dass der Nationalsozialismus für einen Katholiken unannehmbar sei, und glaube nunmehr, es nicht verantworten zu können, nach dem Anschluss plötzlich eine andere Haltung einzunehmen, zumal sich meine ablehnende grundsätzliche Einstellung zum Nationalsozialismus in keiner Weise geändert hatte.“

Jakob Gapp nach seiner Verhaftung, 1942/1943  https://www.eduard-wallnoefer-platz.at/images/widerstandskaempfer/jakob-gapp.jpg

Jakob Gapp nach seiner Verhaftung, 1942/1943
Quelle: Eduard Wallnöfer Platz

 
Während seiner Haft wurde ihm jegliche Kommunikation nach außen verboten. Jakob Gapp wurde am 2. Juli 1943 wegen „Landesverrates“ und „Feindbegünstigung“ zum Tode verurteilt. In der Urteilsbegründung hieß es: „Wer so die Stimme des Blutes in sich verrät, wer alles daransetzt […] Deutschlands Feinden zu helfen“, müsse mit dem Tode bestraft werden. Sowohl eine Begnadigung als auch die Übergabe der Leiche an die Verwandten zur Beerdigung wurde von den nationalsozialistischen Behörden abgewiesen, um so eine Verehrung seiner Person durch das Volk zu unterbinden.

Am 13. August 1943 wurde Jakob Gapp im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee enthauptet. Sein Leichnam wurde dem Anatomischen Institut übergeben. Der Chef des Reichssicherheitsdienstes, der SS-Mann Johann Rattenhuber, wollte die Bestattung verhindern, denn – so seine Einschätzung – „unter der konfessionell gebundenen Bevölkerung würde Gapp als Märtyrer seines Glaubens gelten.“

Am 24. November 1996 wurde Gapp von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen. Im selben Jahr wurde das Todesurteil gegen ihn in Berlin aufgehoben. Der Papst sprach im Rahmen der Seligsprechung: „Pater Jakob Gapp wird uns ein bleibendes Vorbild für das unerschrockene Zeugnis der Wahrheit sein. Sein Leben hat etwas von Johannes dem Täufer, der unerschrocken zum Tyrannen sagte: `Es ist dir nicht erlaubt‘ und dafür in den Tod ging.“

Nachdem es in Tirol schon einige Erinnerungsorte – beispielsweise eine Straße in Reutte, einen Kreuzweg zwischen Wattens und Wattenberg, eine Gedenktafel an seinem Geburtshaus – an den Priester gibt und im Gymnasium Kirchengasse seit 2018 ein an ihn erinnerndes Kunstwerk, welches den Abschiedsbrief des Priesters und NS-Widerstandskämpfers an seine Familie darstellt, angebracht ist, gedenkt der Stolperstein vor dem ehemaligen Marieninstitut nun an sein Wirken in Graz.

 

Recherche und Biografie: Mag. Thomas Stoppacher

Quellen:

  • Eidenberger, Hans u.a.: Der Märtyrer P. Jakob Gapp SM, in: Niewiadomski Jòzef, Siebenrock Roman A. (Hg.), Opfer-Helden-Märtyrer. Das Martyrium als religions-politologische Herausforderung. Innsbruck-Wien 2011. S. 261-274.
  • Hofer, Eva: Die Dorfkapelle zum Hl. Bernhard in Penzendorf als Beispiel für sakrale zeitgenössische Kunst im Hartberger Raum. Dissertation, Graz 2014.
  • Levit, Josef: Jakob Gapp. Zeuge seines Glaubens. Innsbruck – Wien 1988.
  • Kronthaler, Michaela: P. Jakob Gapp S.M. – Ein unbeugsamer Gegner des Nationalsozialismus, in: Bedrängte Kirche, Bedrängt – Verfolgt – Befreit, hg. von Maximilian Liebmann / Michaela Kronthaler. Graz 1995. S. 48-53.
  • Österreichisch-deutsche Ordensprovinz der Marianisten (Hg.): Pater Jakob Gapp SM – Ein Märtyrer seines Glaubens – Dokumentation. Innsbruck 1996
  • Resch, Andreas: Die Seligen Johannes Pauls II. 1996-2000. Innsbruck 2010.
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Jakob_Gapp
  • http://gym-kirchengasse.at/glanzlichter/im-schulgebaude/pater-jakob-gapp-gedenkstatte/
  • https://www.eduard-wallnoefer-platz.at/biografie/Jakob+Gapp/33
  • https://jakob-gapp.zurerinnerung.at/

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Kirchengasse 1