Ernst Klementschitz wurde im Jahre 1881 im ehemaligen Jugoslawien geboren, seine Gattin Christine wurde am 6. Juni 1889 in Iglau (Tschechien).
In diesem Haus – Annenstraße 30 – führte die Familie Klementschitz ein Geschäft. In einer Annonce für die Grazer Herbstmesse 1909 (!) stand zu lesen: „Grosse 50 Heller Abteilung im Erich Klementschitz – Geschäft eröffnet!“. Bis 1938 war das Geschäft in ganz Graz als „Geschirrhalle“ mit bis zu 30 Angestellten sehr bekannt. In einem Bericht aus dem Jahr 1945 hieß es: „Die Geschirrhalle war sozusagen eine Nebenzentrale der Grazer Sozialdemokratischen Partei.“ Beide – Christine, Ernst Senior – und ebenso die Söhne Ernst Junior und Erich, waren in der ersten Republik innerhalb der Sozialdemokratischen Partei in Graz führend tätig.
Im ersten Stock dieses Hauses in der Annenstraße 30 bestand eine Wohnung der Familie Klementschitz. Die Familie war mit der Familie Kurzweil, die auch in diesem Haus wohnten, befreundet. Beide Familien hatten kleine Gemüse-Gärten in der Strauchergasse.
Ernst Klementschitz Senior war mit Josef Stanek am 12. Februar 1934 an einer Schießerei am Mariahilfer Platz beteiligt gewesen. Josef Stanek wurde am 17. Februar 1934 nach einem Scheinprozess im Hof des Landesgerichts Graz am Würgegalgen hingerichtet. Eine Gedenktafel für Josef Stanek wurde 2007 im Eingangsbereich der Volkshochschule Graz in der Hans-Resel-Gasse 6 errichtet. In Kapfenberg-Hafendorf ist die Josef-Stanek-Gasse nach ihm benannt.
Christine war steirische Vertreterin auf dem Internationalen Frauenkongress 1934 in Paris und wurde nach 1934 Landesleiterin der Österreichischen Roten Hilfe. Die Österreichische Rote Hilfe war eine Sektion der Internationalen Roten Hilfe. Die Rote Hilfe engagierte sich nicht nur für bedrohte, verfolgte und inhaftierte Mitglieder der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, sondern auch für Kommunisten und Parteilose. Die Rote Hilfe bestand legal bis 1933 und später im Untergrund.
Christine Klementschitz wurde am 24. September 1944 auf Grund ihrer politischen Tätigkeit verhaftet und ins KZ Ravensbrück transportiert, wo sie am 13. November 1944 ermordet wurde.
Ernst Senior wurde ebenso von der Gestapo verhaftet und ins KZ Buchenwald gebracht, aber überlebte das KZ.
Das Ehepaar hatte vier Kinder, Ernst Junior, Erich, Sera und Erna. Die beiden Söhne kämpften im Spanischen Bürgerkrieg in den Internationalen Brigaden. Ernst, ein Rechtsanwalt, ist leider in Spanien gefallen. Erich überlebte verwundet. Seine Stellungen wurden von Francos Truppen überrannt, aber es gelang ihm nach Frankreich zu flüchten, wo er eingesperrt wurde. Dann gelang ihm die Flucht nach England.
Aber es erging ihm, wie so vielen österreichischen Flüchtlingen, die als sogenannte „Enemy Aliens“ in England angesehen wurden: Erich wurde zuerst auf die Isle of Man und dann nach Kanada interniert. Nach einem Einspruch beim Home Secretary wurde Erich entlassen, meldete sich zur Britischen Armee und nahm an der Befreiung Europas von der NS-Diktatur teil. Um in der Britischen Armee nicht als Deutscher zu gelten, wechselte er den Familiennamen auf Clement.
Nach der Befreiung 1945 fand er seinen Vater lebend im KZ Buchenwald.
Erich Klementschitz Senior kam 1945 nach Graz zurück, übernahm Funktionen in der KPÖ und führte einen Postkartenverlag in Graz. Für die Wohnung, für die Geschirrhalle und für die erlittenen körperlichen Schäden hat die Familie keinerlei Restitutionszahlungen von der Republik Österreich erhalten.
Nach 1945 baute Erich Clement ein neues Leben und Existenz in Formby, nahe Liverpool, mit seiner Frau Joyce auf.
Ihr Sohn, Michael Clement nimmt heute mit seiner Frau Barbara und seinen Kindern (Debs und Jonathan) an den Stolpersteinverlegungen seiner Großeltern teil.
Quellen:
Clement, Michael: Enkel
Narodoslawsky, Raoul
Scholz, Antony
http://gams.uni-graz.at/o:gm.1039
https://www.kuettner-kuettner.at/de/steiermark/986-ak-graz-hauptplatz-st.html
https://parmenides-ansichtskarten.com/products/ak-graz-starkehauschen-am-schlossberg
https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&url=http://www.international-brigades.org.uk