Biografie erstellt im Rahmen des Projekts der Universität Graz: https://1585-tomorrow.uni-graz.at/de/#/category/Erinnerung/Vertriebene%20Studierende (Gerald Lamprecht, Marco Jandl) – Vielen Dank für die Verwendung der Texte und Bildmaterialien.
Franz Schehl wurde am 20. Jänner 1898 in Wien geboren. Nach Absolvierung des I. k.u.k Staatsgymnasiums in Graz 1916 diente er während des Ersten Weltkriegs zunächst als Einjährig-Freiwilliger im Feldkanonenregiment No. 3 in Budweis und danach im Schützenregiment No. 3 in Graz. Nach dem Krieg schlug Schehl eine akademische Laufbahn ein. Er war der Erste in seiner Familie, der sich an einer Universität inskribierte, und er entschied sich in Graz Alte Geschichte und Römische Altertumskunde als Hauptfach zu studieren. Nebenbei studierte er noch Musikwissenschaft. Ob er das Nebenfach fertig machte, ist nicht belegt. Es gibt jedoch Hinweise, dass er einen Abschluss als Orchesterdirigent hatte. 1925 promovierte er zum Dr. phil. 1929 habilitierte er sich bei Otto Cuntz für die Geschichte des Altertums und begann im folgenden Wintersemester Lehrveranstaltungen an der Philosophischen Fakultät abzuhalten. Bis dahin hatte er neben seinen Studien als Bankbeamter bzw. Gymnasiallehrer für Latein und Griechisch gearbeitet.
Sein Forschungsinteresse lag vor allem im Bereich der Papyrologie und Epigraphik. Beides waren Felder, die bisher in Graz wenig Beachtung gefunden hatten. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise wurde er aufgrund von Sparmaßnahmen 1931 entlassen und schlitterte in finanzielle Nöte. Erst 1936, nach dem Weggang des Althistorikers Wilhelm Ensslin, erhielt Schehl wieder eine fixe Stelle an der Universität Graz. Der etwas sperrig klingende Titel „Extraordinarius für die Geschichte des Altertums, für Griechische und Lateinische Altertumskunde und Epigraphik“ stellte sowohl das Ziel seines bisherigen akademischen Strebens als auch eine finanzielle Befreiung für ihn dar. In seinen Kursen legte er großen Wert auf praktische Übungen.
Nach dem „Anschluss“ wurde Schehl mit Erlass vom 26. April 1938 zunächst beurlaubt und in weiterer Folge entlassen. Nach den „Nürnberger Rassegesetzen“ galt Schehl aufgrund seiner Mutter, die aus einer jüdischen Familie stammte, für die Nationalsozialisten als Jude.
Um wieder arbeiten zu können, musste er sich um eine Stelle im Ausland bemühen und schrieb dafür zahlreiche Briefe an diverse Stellen, Freunde und Bekannte. Für seine Tochter fand er in Belgien eine Zuflucht, für sich selbst war es bedeutend schwieriger. Erst durch die Unterstützung der Society for the Protection of Science and Learning (SPSL) konnte er im Juli 1939 von Graz ins englische Bristol ausreisen. Dort wurde ihm ein Stipendium für ein Jahr gewährt. Diese Zeit nutzte er, um sich seiner Forschung zu widmen.
Nach Ablauf des Stipendiums musste sich Schehl wieder auf die Suche nach einer neuen Anstellung begeben. Da es in England immer schwieriger wurde, eine dauerhafte Beschäftigung in Forschung und Lehre zu finden, zog er weiter in die Vereinigten Staaten von Amerika. Dort angekommen bemühte er sich Fuß zu fassen und mit Unterstützung von diversen Hilfsorganisationen eine Stelle im akademischen Bereich zu finden. Als besonders hilfreich erwiesen sich dabei seine katholischen Verbindungen. Durch diese gelang es ihm 1941 schließlich eine Stelle als Lehrer für Griechisch und Latein an der Portsmouth Priory School in Rhode Island angeboten zu bekommen, welche er auch annahm. Im Laufe des Jahres vollzog er auch eine Anglisierung seines Namens und nannte sich in weiterer Folge „Francis W. Schehl“.
Nach dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg bewarb sich Schehl für eine Stelle beim neu gegründeten Auslandsgeheimdienst Office of Strategic Service (OSS), welcher aktiv geflüchtete Personen rekrutierte. Im OSS gab es eine eigene Stelle, die sich „Research & Analysis“ nannte und in der überwiegend AkademikerInnen tätig waren. Im Mai 1944 erhielt er seine Zusage und begann im Juli als Analyst in Washington D. C. Seine Tätigkeit umfasste zunächst die Indizierung, Katalogisierung und Klassifizierung komplexer geheimdienstlicher Materialien. Kurz darauf wurde er befördert und in eine neue Abteilung versetzt, in der er Analysen für den zentraleuropäischen Raum erstellte. Mitte April 1945 kehrte er wieder an die Portsmouth Priory School zurück.
Nach dem Ende des Krieges erhielt Schehl am 23. April 1946 ein Telegramm der Philosophischen Fakultät der Universität Graz, in dem man sich erkundigte, ob er auf seine „Lehrkanzel noch reflektiere“. Schehl lehnte ab.
Er korrespondierte in weiterer Folge noch mit ausgewählten Personen aus seiner alten Heimat, wobei er hierfür nur mehr auf die englische Sprache zurückgriff. Von Schehl sind in der Nachkriegszeit nur mehr einige wenige wissenschaftliche Aufsätze und vereinzelte Briefe überliefert.
Schehl verstarb am 9. Mai 1956 mit 58 Jahren in Washington D.C. Es findet sich kein Nachruf auf ihn, sondern nur eine kurze Todesanzeige in einer lokalen Zeitung bzw. im Jährlichen Bericht der American Philological Association.
ROHRMOSER Christian, Franz resp. Francis Schehl. Ein vertriebener Grazer Althistoriker. Graz 2019.