Wilhelm Spielmann, geboren am 29. 4. 1876 in Graz, war Geschäftsinhaber von zwei Bekleidungsgeschäften in der Annenstraße: dem Herrenkleidermachergewerbe im Haus 25 und dem Kleiderhandel im Haus 34, von dem die Leute damals sagten, dass man „beim Juden Spielmann“ gut einkaufen könne, erinnert sich ein Angehöriger der Familie laut Recherchen des FALTER (Herwig Höller).
Im Sommer 1938 versuchte der Fehringer Schneidermeister Josef Knilli, seit 1932 SA-Mitglied und im Februar 1934 wegen “politischer Betätigung” zu 6 Monaten Haft verurteilt, in mehreren Anläufen und gerne mit Verweis auf seine Parteimitgledschaft, auf dem Wege der „Arisierung“ ein Geschäftslokal in prominenter Grazer Innenstadtlage zu erlangen; auch die SA ersucht, sein Ansuchen zu berücksichtigen, schrieb Knillis SA- Vorgesetzter aus Fehring an die Vermögensverkehrsstelle ( VVST ) in Graz (vgl. Höller/Falter), an jene Behörde, die zwecks Zwangsenteignung von jüdischem Vermögen gegründet worden war. Die angeblich überschuldete Firma wurde „liquidiert“; Nutznießer war letztlich Friedrich Knilli, der im Oktober 1938 der Familie Spielmann ihren gesamten Geschäftsbesitz um die extrem niedrig angesetzte Summe von 3000 Reichsmark „abgekauft“ hat; der ohnehin niedrig angesetzte Schätzwert war doppelt so hoch gelegen (vgl. Höller/Falter).
Die Summe kam jedoch niemals in das Eigentum der Familie Spielmann, da dieses VVST-Sperrkonto 1941 von der Gestapo beschlagnahmt worden war – im Rahmen der weiteren Enteignung, als deutschen StaatsbürgerInnen im Ausland ihre Staatsbürgerschaft und das im Reich verbliebene Vermögen entzogen worden ist (vgl. Höller/Falter).
1939 konnte Wilhelm Spielmann gemeinsam mit seiner Gattin Amalia (geb. Hübsch), geboren am 10.12.1885 in Pribram im heutigen Tschechien, fliehen.
Zwei der drei Kinder des Ehepaars Spielmann konnten mit den Eltern flüchten:
- Tochter Grete Spielmann, geboren am 14. 7. 1912 in Graz; verheiratete Weinberg; gestorben am 1. 4. 2006 in Jerusalem
- Sohn Ernst Spielmann, geboren am 13. 1. 1916 in Graz; gestorben am 12.11. 1992 in Sydney, Australien.
- Sohn Hans Spielmann, geboren am 13.12. 1914 in Graz, wurde nach Auschwitz deportiert und von dort nach Buchenwal, wo er am 10.02.1945 ums Leben kam.
Ernst Spielmann kehrte nach 1945 als britischer Soldat nach Graz zurück und bemühte sich um die Restitution des geraubten Familienvermögens. Er hat sich lange dafür eingesetzt und nur einen minimalen Betrag von einigen Tausend Schilling bekommen.
Das Ehepaar Wilhelm und Amalia Spielmann verbrachte den letzten Teil ihres Lebens Tel Aviv. Amalia starb dort am 28.1.1944 und Wilhelm am 23..3.1956.
Wilhelm Spielmanns Halbbruder Rudolf Spielmann geboren 1889 in Graz, war Teilhaber der Kleidergeschäfte in der Annenstraße. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Paula, am 6.6.1900 geborene Sternthal, hatte er den Sohn Helmut, geboren am 22.5.1930 in Graz.
Rudolf Spielmann wurde in der Reichspogromnacht von der Gestapo in das KZ Dachau deportiert. Durch einen glücklichen Zufall und seine wiederholte stolze Aussage einem KZ- Aufseher gegenüber: “Ich habe für Österreich und den Kaiser gekämpft!” gelang es ihm, nach 31 Tagen wieder frei zu kommen mit der Auflage, binnen 30 Tagen “das Reich” zu verlassen.
Der Familie gelang durch eine Erbschaft die Flucht nach Shanghai, wo sie im Dezember 1938 ankamen. Rudolf Spielmann starb am 11.4.1941 in Shanghai im jüdischen Spital. Er wurde auf dem “Friedhof der Flüchtlinge” beigesetzt.
Paula Spielmann, die katholisch aufgewachsen war und erst durch die Eheschließung den mosaischen Glauben angenommen hatte, trat mit ihrem Sohn Helmut wieder zum katholischen Glauben über. Sie ermöglichte durch verschiedene Arbeiten, wie Putzen, Arbeit in einer Hemdenfabrik mit großen Mühen sich und ihrem Sohn das Überleben. Helmut Spielmann besuchte das Saint Franzis Xavier College, eine von englischen Jesuiten geführte Schule.
1947 erfolgte die Heimfahrt von Shanghai über Singapur nach Neapel und im Viehwaggon weiter nach Österreich. Helmut Spielmann wurde Sprachenlehrer in Arnfels und Leutschach in der Steiermark und gründete bald mit Elisabeth, geb. Hofer, eine Familie. Ihr entsprossen zwei Töchter, Edith und Eva. Eine Wiedergutmachung konnte Helmut Spielmann nicht erreichen; einmal, so berichtete er, bekam er eine Summe von einigen Tausend Schilling. Des väterlichen Erbes war er verlustig gegangen. Als mittelloser Flüchtling, seiner jüdischen Herkunft wegen vielen Vorurteilen ausgesetzt, baute er sich in Österreich ein neues Leben auf. Er verstarb am 14.12.2012 in Feldbach.
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Quelle: u.a. Bericht von Herwig G. Höller: Knilli: Die Geschichte einer „Arisierung“ (FALTER) – Link zum Falter Artikel (pdf)