Lazerettgürtel 77
Inschrift Stolperstein:
HIER WOHNTE
CHARLOTTE STERN
GEB. ROSENBERG
JG. 1859
UNFREIWILLIG VERZOGEN
1939 WIEN
FLUCHT 1940
JUGOSLAWIEN
TOT
Charlotte Politzer, geb. Rosenberg
– Jahrgang 1859
– heiratete David Stern
– Hatte zwei gemeinsame Kinder: Olga und Else
– Musste in eine Sammelwohnung nach Wien
– Flucht nach Jugoslawien
– Verstarb in einem slowenische
Stolperstein für Trude Lang in der Lazerettgürtel 77, Verlegung am 7.9. 2022, Foto: Alexander Danner
Familien Lang und Stern (Biografie: Thomas Stoppacher)
Kurzfassung:
Charlotte Stern (*1859), geb. Rosenberg (nach der Hochzeit mit ihrem ersten Ehemann
Charlotte Politzer) heiratete nach dem Tod ihres ersten Mannes – einem Altwarenhändlers –
David Stern, welcher in das Geschäft zuvor eingestiegen war. Gemeinsam mit David baute
sie den Betrieb mit weiteren Geschäftszweigen zu einem Rohproduktenhandel aus und
zogen 1890 in die Karlau. Neben drei Kindern aus erster Ehe kamen in dieser Zeit die
gemeinsamen Töchter auf die Welt.: Olga (früh verstorben) und Else.
Charlotte beteiligte sich am gesellschaftlichen Leben und engagierte sich beispielsweise im
Israelitischen Frauenverein oder in der Flüchtlingshilfe im Ersten Weltkrieg.
Im hohen Alter von 80 Jahren musste das Ehepaar Stern in eine sog. „Sammelwohnung“
nach Wien ziehen. Nach einem – vorerst erfolgreichen – Fluchtversuch nach Jugoslawien
versteckten sich die beiden nach der Okkupation durch die Nazis in einem slowenischen
Dorf. Charlotte verstarb dort.
ausführliche Biographie Familien Lang und Stern (von Thomas Stoppacher):
David Stern wurde am 10. Juni 1859 als Sohn eines Handelsmannes im damals westungarischen Güssing geboren. Seine Familie übersiedelte in den 1870er-Jahren nach Graz, um dem begabten Sohn eine bessere Schulbildung zu ermöglichen. Nach Handelsschule und Lehre stieg er in ein Altwarengeschäft ein. Als der Besitzer des Betriebes, Adolf Politzer, starb, heiratete er 1887 dessen ebenfalls aus Güssing im heutigen Burgenland stammende Witwe Charlotte und übernahm auch den Altwarenhandel. Die Hochzeit fand in Steinamanger/Szombathely statt. Charlotte hatte drei Kinder aus erster Ehe, wobei eines jung verstorben war. 1888 kam die erste gemeinsame Tochter Olga und 1892 schließlich Else zur Welt. David und Charlotte Stern bauten den Betrieb aus und erweiterten ihn um andere Geschäftszweige. Das Geschäftsmodell von David bestand darin, dass er unterschiedliche Altwaren sowohl in Österreich als auch in anderen Ländern Europas aufkaufte und diese entweder direkt verwertete oder zu neuen Produkten umarbeiten ließ. So kaufte er beispielsweise alte Armeeuniformen und ließ diese in der eigenen Schneiderei zu Arbeitskleidung umarbeiten. Bereits 1921 war der Handel auf Baumwolle, Schafwolle, Hadern, Eisen, Metallen und sonstige Rohstoffe erweitert worden. Mit Ausnahme kurzzeitiger finanzieller Turbulenzen im Zuge der Weltwirtschaftskrise florierte das Unternehmen und wurde zu einem führenden Betrieb der Abfallwirtschaft in der Steiermark.
Schon 1890 war die Familie in die Karlau gezogen, man hatte sich in schwierigen Zeiten einen gewissen Wohlstand erarbeitet. Die mittlerweile großbürgerliche Familie lebte von diesem Zeitpunkt an im sogenannten „Falkenhof“, einem im 18. Jahrhundert gebauten historischen kleinen Schloss. Das Gebäude fällt heute inmitten von mehrspurigen Durchgangsstraßen, Einkaufszentren und Autohändlern auf und wirkt, im positiven Sinne, deplatziert. Das Haus samt dazugehörigem Park war für die nächsten Jahrzehnte Zentrum des privaten wie beruflichen Lebens der Familie.
David und Charlotte bekannten sich zum traditionellen Judentum. Er war Vorstandsmitglied und zeitweise auch Präsident der Jüdischen Gemeinde in Graz und in dieser sehr angesehen. Charlotte beteiligte sich ebenso am gesellschaftlichen Leben und engagierte sich beispielsweise im Israelitischen Frauenverein oder in der Flüchtlingshilfe im Ersten Weltkrieg. Das Anwesen der Familie war ein kultureller und intellektueller Treffpunkt des Grazer jüdischen Bürgertums. Der österreichische Widerstandskämpfer und spätere Filmproduzent Carl Szokoll schrieb 1985 in seinen Lebenserinnerungen darüber: „Am Stadtrand von Graz liegt ein feudaler Herrensitz“, der einer „angesehenen jüdischen Familie, den Sterns“ gehörte.
Else Lang wurde 1892 in Graz geboren und wuchs also in einer wohlbehüteten Familie auf, in der Bildung hochgeschätzt und gefördert wurde. Die Kindheit verbrachte sie großteils im Haus und im dazugehörenden Garten, in ihren Erinnerungen beschreibt sie die verschiedenen Bäume am Anwesen und diverses Hauspersonal, wie beispielsweise ihre Lehrerin. Else wurde daheim unterrichtet, um sie zu schützen, denn ihre um vier Jahre ältere Schwester Olga verstarb 1896 an der Kinderkrankheit Scharlach.
Am Silvesterabend 1908 lernte Else den am 7. Dezember 1886 geborenen Fritz Lang, der damals seinen Einjährig-Freiwilligen-Dienst in Graz machte, kennen. Dieser hatte nach der Matura zuerst Medizin studiert, war dann aber an verschiedenen Orten in Europa (Wien, Frankfurt, Breslau, München) in der „Süddeutschen Petroleumgesellschaft“ seines Onkels engagiert. Else und Fritz verlobten sich am Weihnachtsabend 1910. Im Frühjahr 1911 folgte die Hochzeit in der Grazer Synagoge. Fritz stieg in der Folge als Prokurist in den Altwaren- bzw. später Rohproduktenhandel ein und kümmerte sich wiederum um Auslandsgeschäfte – diesmal in Marseille und Liverpool. Im Ersten Weltkrieg diente er als Reserveoffizier, die meiste Zeit war er in Iglau (Jihlava, heute Tschechien), später in Stanislau (Iwano-Frankiwsk, heute Ukraine) stationiert. Else hat ihn an beiden Orten mehrmals besucht, die ganze Familie überlebte den Krieg.
Die beiden Kinder Hans, geboren 1912, und Trude, geboren 1915, erlebten – nach Ende des Weltkrieges – in der neuen Republik Österreich eine unbeschwerte Kindheit und Jugend. Anfangs lebte die junge Familie unweit unseres jetzigen Standortes, in der Kaiserfeldgasse 3, ab 1934 zusammen mit den Großeltern im „Falkenhof“. Sie besuchten die Evangelische Volksschule, um einwandfreies Deutsch zu lernen und sich somit von den „schlampig sprechenden Ostjuden“ abzugrenzen, doch spätestens im Gymnasium – Trude besuchte das Mädchenlyzeum in der Sackstraße, Hans das Lichtenfelsgymnasium – wurden sie in der künftigen „Stadt der Volkserhebung“, ein Ehrentitel für Städte, die sich besonders für die nationalsozialistische Bewegung engagierten, mit dem latenten Antisemitismus von anderen Schüler*innen und Lehrpersonen konfrontiert. Hans Lang erinnert sich: „In den oberen Klassen, also etwa ab 1927, gab es sowohl seitens der Professoren wie auch der Schüler einen stark ausgesprägten Antisemitismus, von den Professoren natürlich nur gelegentlich für unsere Feinhörigkeit feststellbar, aber die Klassenkameraden sprachen außerhalb der Schule mit ganz wenigen Ausnahmen nicht mit uns […] Lebhaft in Erinnerung ist mir bis heute der Schikurs in Bad Aussee in der 7. Klasse, also im Winter 1928/29; an den Abenden waren wir völlig allein, da wir an den nationalen Gesängen unserer Kollegen sowie des Professors nicht teilnehmen wollten […] Diese Abende waren richtig deutschnational, schon damals waren sie alle das, was man wenig später ‚Nazis‘ nannte.“
Im Gegensatz zum sich früher der Monarchie und nun der Republik Österreich verbundenen Elternhaus – Trude bezeichnete ihre Eltern als „bewusste Juden“, die „zutiefst mit der deutschen Kultur verbunden“ waren, entwickelte sich Hans auf der Suche nach Identität zum Zionisten und war Mitglied in mehreren Vereinen, beispielsweise der Jugendbewegung „Blau-Weiß“. Er studierte in Graz Rechtswissenschaften und stieg als Geschäftsmann ins Familienunternehmen ein. Trude entschied sich nach der Matura für das Studium der Geschichte und zählte im Sommer 1938 zu einer der wenigen jüdischen Studierenden, die ihr Studium noch durch eine „stille Promotion“, ermöglicht durch ihren Dissertationsvater, abschließen konnte. Dies gaben die Regelungen für einen gewissen, begrenzten Zeitrahmen her – so teilte der damalige Dekan Trude am 23. Juni mit, dass sie ihr Rigorosum bis 15. Juli ablegen musste und fügte die Information an, eine spätere Zulassung sei ausgeschlossen. Am 28. Juni bestand Trude ihre Prüfung „mit Auszeichnung“, ihre Abschlussarbeit hatte sie davor „Über die Historiographie der französischen Revolution“ verfasst. Auf der Universität, einer Hochburg der Nationalsozialisten, fühlte sie sich dennoch oft als Außenseiterin, war aber stolz, dass sie es geschafft hatte, trotz aller Widrigkeiten ihr Studium zu beenden.
Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im März 1938 war das bis dahin geregelte Leben der Familie zu Ende. Es begann nun die Zeit der Verfolgung, in der sich die Wege von Kindern und Eltern trennten.
Hans war in diesen Tagen aufgrund geschäftlicher Verpflichtungen in Wien und bekam dort schon wenige Tage vor dem „Anschluss“ den Rat, Österreich zu verlassen. So konnte er – nach einem kurzen Zwischenstopp in Graz, er lebte seit 1936 in der Kaiserfeldgasse 21 – rechtzeitig nach Triest und von dort per Schiff weiter nach Palästina gelangen. Trude, Else, Fritz und die Großeltern David und Charlotte Stern mussten miterleben, wie die familieneigene Rohproduktenhandlung „arisiert“ – also geraubt – und schließlich liquidiert wurde. Dies geschah in mehreren Schritten:
Fritz Lang und David Stern waren als prominente Vertreter des jüdischen Bürgertums und der Grazer Wirtschaft Zielscheiben der nationalsozialistischen Aggression und wurden noch in den ersten Tagen nach dem „Anschluss“ in Haft genommen. Die Firma bekam einen kommissarischen Verwalter, diesen Posten übernahmen meist verdiente Nationalsozialisten, die für ihre Verfolgung während der Illegalität der Bewegung zwischen 1933 und 1938 belohnt wurden, und wurde. Gemeinsam mit dem Grundbesitz wurde der „Falkenhof“, zur Enteignung – im nationalsozialistischen Wortlaut „Arisierung“ – vorbereitet. Der systematische Raub jüdischen Eigentums wurde von den Machthabern durch Verordnungen und Gesetze gestützt. Da es sich beim Unternehmen Stern um einen gewinnversprechenden und wirtschaftlich relevanten Betrieb handelte, gab es viele Interessenten. Ende Juli kamen die Verhandlungen mit dem „Ariseur“ Richard Häusler – einem Grazer Kaufmann, der schon seit 1932 Mitglied Nationalsozialistischer Vereine wie auch der Partei war – zu einem vorläufigen Abschluss. Dieser sah vor, dass Häusler die Liegenschaft, das Geschäft und den Gewerbeschein übernahm. Den Preis versuchte er, wie in solchen Fällen üblich, so weit als möglich zu drücken. Geschäftlich war Häusler allerdings offenbar wenig versiert und nach einigen Streitereien mit den Gesellschaftern des Betriebes flog er 1939 aus der Firma. Die nunmehr „Steirische Rohprodukten-Gesellschaft“ stellte ihre Tätigkeit mit Jahresende 1939 ein.
Die Familien Lang und Stern, die bereits nach Fluchtmöglichkeiten Ausschau hielten, durften bis Jahresende 1938 im Haus wohnen, wobei der neue Inhaber mehrmals versuchte, sie vor dem vereinbarten Zeitpunkt aus der Wohnung zu vertreiben. Es war unwiderruflich klar: Die Familie musste ihr jahrzehntelanges Refugium verlassen.
Dies geschah auf unterschiedlichen Wegen: Trude konnte um den Jahreswechsel 1938/1939 – durch Hilfe des Pfarrers der Karlau, dessen Haushaltsgehilfin sowie eines englischen Missionars aus der Schweiz – nach London emigrieren. Dort musste sie sich vorerst als Haushälterin in Newcastle durchschlagen, mit den damit verbundenen Aufgaben haderte die selbst einer Familie mit Personal kommende und deshalb in solchen Belangen unbeholfene Trude enorm: „Ich war nicht nur ganz unbewandert, sondern auch etwas ungeschickt und hatte gar keine Hoffnung, dass ich in die Mysterien der Hausarbeit eindringen und meine Arbeitgeber befrieden könnte. Zu Hause war meine ganze Zeit ausgefüllt gewesen mit meinem Studium und gleichzeitiger Beschäftigung im Büro meines Vaters und Großvaters, dass eben alles für mich bereit war. Wir hatten eine sehr liebe und außerordentlich tüchtige Köchin, die, als ich sie einmal bat, mir etwas zu zeigen, erklärte, ich hielte den Kochlöffel wie eine Füllfeder.“
Mit Hilfe von Bekannten kam Trude zur Gelegenheit, als Aushilfslehrerin in Wales zu arbeiten und dieser Job entsprach schon mehr ihren Vorstellungen – es sollte ihre Berufung fürs Leben werden. Die notwendige Ausbildung zur weiteren Beschäftigung als Lehrerin absolvierte sie in der Nähe von Oxford, wo sie den ebenfalls nach Großbritannien geflohenen vormaligen Landesrabbiner der Steiermark, David Herzog, ein letztes Mal traf. Ihre nächste Station war die Isle of Wight und schließlich – nachdem die Insel aufgrund des Überfalls der Wehrmacht auf Frankreich evakuiert wurde – eine Schule in Horwood House, nordöstlich von Oxford. Trude fühlte sich in England zunehmend wohl, weshalb sie ihre dort erstmals aufgeschriebenen Erinnerungen auch mit dem Titel „On my way to adoption“ betitelte.
Ihren Eltern Fritz und Else gelang erst Anfang März 1939 die Flucht aus Graz. Sie emigrierten in die Schweiz, wo sie in Lausanne eine Zuflucht für sechs Wochen gefunden hatten, bevor sie nach Italien weiterflüchten konnten und in einem Fischerdorf nahe dem damaligen Fiume (Rijeka, heute Kroatien) unterkamen. Schließlich reisten sie am 3. September 1939 mit einem der letzten regulären Verkehrsschiffe von Triest nach Haifa ab, nachdem Else beim englischen Konsulat im letzten Moment ein Visum für Palästina bekommen hatte. Detail am Rande: David Stern hatte von Wien aus versucht, mit dem „Arisierungserlös“ den Transport des Umzugsguts seines Schwiegersohnes und seiner Tochter nach Triest zu bezahlen, dies wurde allerdings von den zuständigen Behörden abgelehnt.
Der Familienpatriarch David und seine Frau Charlotte hatten die Flucht ins Ausland vorerst nicht mehr geschafft. Nach der vollständigen Enteignung und der Zwangsübersiedelung im Februar 1939 nach Wien – bis dahin „durften“ er und seine Frau in der Villa des nunmehrigen Eigentümers Häusler wohnen – musste der über viele Jahre erfolgreiche und angesehene Geschäftsmann erkennen, dass er über keinerlei Rechte mehr verfügte und im nationalsozialistischen Staat auch keine Zukunft mehr hatte.
Das sich schon im hohen Alter befindliche Ehepaar Stern musste nach Wien ziehen, wo sie bis Mitte Jänner 1940 in der Rembrandtstraße 21/12 lebten. Von dort wagten sie einen Fluchtversuch nach Jugoslawien. Sie hatten sich mithilfe eines Eisenbahners in einem Gütterwaggon versteckt und im Bereich der Grenze, beide waren damals wohlgemerkt schon weit über achtzig Jahre alt, abgesprungen. Danach brachte sie ein Fluchthelfer mit einem Schlitten weiter und für wenige Monate war das Paar in Sicherheit, schaffte es allerdings nicht, eine Möglichkeit zur weiteren Flucht nach Großbritannien oder Palästina zu finden. Als die Nationalsozialisten 1941 auch Jugoslawien überfallen und okkupiert hatten, versteckten sich die beiden in einem slowenischen Dorf. Charlotte verstarb dort, David leistete bei einer Razzia der Nazis Widerstand und wurde erschossen.
In der Emigration hatten sowohl Fritz als auch Hans als Offiziere militärischen Dienst für die Briten geleistet, die deren Vorkenntnisse und Ränge aus den Armeen der Monarchie bzw. Ersten Republik anerkannt hatten. Nach Kriegsende blieb die Familie in Palästina. Trude war ihren Eltern und ihrem Bruder 1947 gefolgt. Anfangs lebte die wiedervereinigte Familie auf engem Raum und die Verhältnisse – immer wieder gab es politische Unruhen – waren bis zur Gründung von Israel keine einfachen. Doch die Situation wurde besser. Trude heiratete den aus Dresden in Deutschland gebürtigen Kurt Philippson, arbeitete als Lehrerin und wurde zu einer Pionierin im israelischen Schulwesen. Die beiden gründeten eine Familie, zu der Hanna, Kurts Tochter aus erster Ehe, sowie das gemeinsame Kind Naomi gehörten. Die Kinder wurden dreisprachig – Deutsch in der Familie, Englisch in der Schule und Iwrit als Umgangssprache – erzogen.
Hans übernahm wichtige Positionen im militärischen Beschaffungswesen seiner neuen Heimat und wirkte somit aktiv an der Staatswerdung mit. Er hatte schon 1943 Gertrude Brandweiner, eine aus Wien vertriebene Jüdin, geheiratet und blieb mit ihr und den zwei gemeinsamen Kindern – unterbrochen durch ein kurzes Intermezzo in den 1950er-Jahren, in denen er erfolglos versuchte, den Familienbetrieb in Österreich wieder ins Laufen zu bringen – in Israel. Als im Jahr 2000 die wieder errichtete Synagoge in Graz eingeweiht wurde, war Hans Lang unter den geladenen Ehrengästen. Er verstarb 2005.
Fritz und Else Lang bemühten sich aus Palästina auf Basis des 3. Rückstellungsgesetzes um die Restitution ihres Eigentums und erreichten diese 1947 durch eine außergerichtliche Einigung mit den „Ariseuren“ des Betriebes und der Liegenschaft, welche im Februar 1948 wieder an die Familie übertragen wurde. Fritz und Else kehrten daraufhin nach Österreich zurück – allerdings starb Fritz 1951 überraschend in Wien, worauf Trude ihre Mutter wenig später nach Israel zurückholte, wo sie bis 1982 lebte. Der restituierte „Falkenhof“ wurde verkauft.
Trude hatte zu ihrer Geburtsstadt Distanz gehalten, womöglich auch, weil sie bei einem Besuch in den 1950er-Jahren ihre ehemalige Lehrerin Mathilde Uhlirz getroffen hatte und sich von dieser anhören musste, „dass es gut wäre, dass Leute wie Trude jetzt eine Heimat hätten“. Auch die Novemberpogrom-Nacht 1938, in der fremde Leute, junge NS-Schergen, schamlos den „Falkenhof“ nach Wertgegenständen durchsuchten, blieb Trude ewig in Erinnerung, Anfang der 1990er-Jahre schrieb sie: „Meine Empfindungen sind mir noch klar im Bewusstsein, auch wohl deshalb, weil sie geblieben sind: Abscheu und Empörung, die ich noch heute überwinden muss, wenn ich zurück nach Österreich komme.“
Viele der ausführlichen Informationen über Trude Philippsohn-Lang und ihrer Familie verdanken wir Dieter Binder und Gerald Lamprecht, die 2020 im CLIO-Verlag die 1939-1942 in Großbritannien und auf Englisch niedergeschriebenen Erinnerungen von Trude publizierten wie auch kontextualisierten. Gedacht waren diese für ihre Tante Elly Rosner, die aus Graz nach Shanghai geflüchtet war. Dieter Binder hatte über Recherchen schon früher den Kontakt zu Trude und Hans herstellen können und in den 1990er-Jahren erste Texte der beiden veröffentlicht. Über ihn war es auch möglich, die Familien-Angehörigen zur Verlegung der Stolpersteine im September 2022 einzuladen.
Quellen:
• Trude Philippsohn-Lang: On My Way to Adoption. My Story, Written for Elly. Erinnerungen einer Grazerin im englischen Exil 1939-1942. Hrsg. von Dieter A. Binder und Gerald Lamprecht, Graz 2020.
• Trude Philippsohn-Lang: Erinnerungen, in: Alois Kernbauer, Karin Schmidlechner-Linhart (Hg.): Frauenstudium und Frauenkarrieren an der Universität Graz, Graz 1996, 273-290.
• Hans Lang: Erinnerungen, in: Alois Kernbauer, Karin Schmidlechner-Linhart (Hg.): Frauenstudium und Frauenkarrieren an der Universität Graz, Graz 1996, 298-299.
• Lamprecht, Gerald: David und Charlotte Stern (Lazarettgürtel 77), in: Heimo Halbrainer, Gerald Lamprecht: Jüdischer Gries. Eine Spurensuche, Graz 2022, 164-168.
• Kernbauer, Alois: Der Nationalsozialismus im Mikrokosmos. Die Universität Graz 1938. Analyse – Dokumentation – Gedenkbuch (Publikationen aus dem Archiv der Universität Graz, 48), Graz 2019.
• Kurt Schubert: Erlebte Geschichte. Mit Beiträgen von Bernhard Dolna und Eva Schubert, Graz 2017.
• Rendi, Otto: Geschichte der Juden in Graz und in der Steiermark, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark, Jg. 62, Graz 1971, 157-177.
• Promotionszeugnis, handschriftliche Beurteilung, Universität Graz 1938. Aus den Unterlagen von Dieter Binder.
• Einträge zu David Stern, Charlotte Stern, Else Lang, Fritz Lang, Hans Erich Lang und Trude Philippsohn, in: Plattform geni.com, online im Internet: https://www.geni.com/ .
• Meldezettel der Stadt Graz: David Stern, Charlotte Stern, Friedrich Lang, Else Lang, Hans Lang
• Interview mit Trude Lang (geb. Brandweiner), geführt von Dieter J. Hecht in Tel Aviv 2003. Sammlung: Zentralkomitee der Juden aus Österreich in Israel, weiter_erzählen: https://weitererzaehlen.at/interviews/trude-lang (abgerufen am 30.08.2022).