Gideon Röhr wurde am 23. August 1921 in Leoben geboren. Seine Mutter, Irene Weinberger (geboren 1888, Schwester von Emanuel Weinberger) stammte aus Podivin, deutsch Kostel, in Mähren, wo sie gemeinsam mit ihren sieben Geschwistern auf einer Landwirtschaft lebte, die ihre Eltern bewirtschafteten. Wie viele Jüdinnen und Juden zogen einige ihrer Geschwister im Zuge der Industrialisierung ab Mitte des 19. Jahrhunderts nach Leoben. Dort lernte sie Ludwig Röhr (geboren 1884) kennen, den sie 1912 heiratete. Das Paar wurde Eltern von drei Söhnen. Fritz Röhr kam 1914 zur Welt, Karl Röhr 1916 und Hans im Jahr 1921. Hans nannte sich später Gideon. Ludwig Röhr war bekennender Zionist und gab seine Begeisterung für die nationaljüdische Idee schon früh an seine Söhne weiter, die sich dem Jugendbund Betar in Graz anschlossen. Ludwig Röhr besaß ein Schuhgeschäft in der Timmersdorfergasse in Leoben, das im Zuge der Novemberpogrome 1938 „arisiert“ wurde. Aufgrund des schon in den Jahren davor stark anwachsenden Antisemitismus in Leoben legten Ludwig und Irene Röhr einen Teil ihres Vermögens bereits zu Beginn der 1930er-Jahre in einem Grundstück in Palästina an und erwarben 1934 ein Haus mit Grundstück am Mount Carmel in Haifa. 1939 emigrierten die beiden nach Palästina, wo sie in Haifa eine Wäscherei führten.
„Anschluss“ und Flucht nach Palästina
Hans Röhrs ältere Brüder studierten in Graz Medizin und Technik. Er selbst besuchte die Handelsschule in Bruck an der Mur und arbeitete später in einem Schuhgeschäft in Wien. Es war vorgesehen, dass er einmal das Geschäft der Eltern in Leoben übernehmen wird. Doch seine wahre Leidenschaft galt der Musik, und so wurde ihm bereits im Alter von sieben Jahren Geigen-Unterricht ermöglicht. Später folgte eine Ausbildung am Konservatorium in Wien, wo er im März 1938 Zeuge des „Anschlusses“ wurde. Im Zuge der Novemberpogrome 1938 wurde sein Vater Ludwig verhaftet und gemeinsam mit 14 weiteren Leobnern nach Wien gebracht, jedoch bald wieder entlassen. Irene und Ludwig Röhr emigrierten 1939 nach Palästina. Hans, Fritz und Karl waren schon kurz davor nach Haifa geflohen. Hans war unter 360 Betar-Mitgliedern im Alter von 15 bis 30 Jahren, die im Juni 1938 im Rahmen der ersten von den „revisionistischen“ Zionisten organisierten Transporte Österreich verließen. Seine Flucht führte über die Balkanroute nach Griechenland und von dort mit einem Fischkutter nach Palästina. In seinen Erinnerungen heißt es: „Den Rucksack am Rücken, meine Geige in der erhobenen rechten Hand, sprang ich aus dem Boot und kämpfte mich durch die Brandung an Land.“ Seit seiner Ankunft in Palästina nannte er sich fortan Gideon Röhr. Er arbeitete anfangs auf einer Orangenplantage und übersiedelte später nach Jerusalem, wo er ein Stipendium für das Konservatorium erhielt. Als erfolgreicher Violinist trat er später in ganz Israel auf. 1942 heiratete er zum ersten Mal. 1956 übersiedelte er nach Schweden, wo er seine zweite Frau, Margarete, kennenlernte. Nach 1945 besuchte er noch zwei Mal Leoben. Gideon Röhr starb am 1. März 2006 im Alter von 84 Jahren in Schweden.
Quellen:
Kumar Victoria, Graz und andernorts, Lebenswege und Erinnerungen vertriebener Jüdinnen und Juden. Clio 2013
Die Presse (2016): Einwanderungsquoten für jüdische Flüchtlinge. 27.08., https://diepresse.com/home/zeitgeschichte/5075741/Einwanderungsquoten-fuer-juedische-Fluechtlinge
Informationen von Margarete Röhr, Witwe von Gideon Röhr.